Die Schwälmer und Schwälmerinnen trugen handgestrickte Strümpfe, die bis weit über die Knie reichten. Befestigt wurden diese Strümpfe mit Strumpfbändern, die um das Bein gebunden wurden.

Stolzer Schwaelmer Zwickelstrumpf | proud Schwalm stocking
1930 zählten zur Aussteuer einer armen Braut 6 -8 Paar Strümpfe, zur Aussteuer einer reichen Braut 40 Paar Strümpfe.

Die Sommerstrümpfe wurden zunächst aus Leinengarn, später aus feinem Baumwollgarn gestrickt.
Baumwollgarn kam erst etwa 1830 in die Schwalm. Für die Winterstrümpfe verwendete man fein gesponnene Schafwolle. Die Frauenstrümpfe waren weiß, die Männerstrümpfe auch manchmal blau eingefärbt. Damit die schafwollenen Winterstrümpfe auch weiß wurden, wurde die Wolle geschwefelt.

Zu unterschiedlichen Anlässen wurden unterschiedlich gemusterte Strümpfe getragen. Die „Linkten“, das sind Strümpfe, die aus linken Maschen gebildete Muster hatten, wurden bei Trauer und von älteren Frauen getragen. Die „Zwickelstrümpfe“ mit schmalen Musterstreifen wurden als Alltagsstrümpfe getragen. Sie waren meist aus dickerem Garn gearbeitet. Sonntags trug man „Zwickelstrümpfe“ mit breiten Musterstreifen. Sie waren aus feinem Garn gestrickt. Für besondere Fest- und Feiertage hatte man die „stolzen Zwickelstrümpfe“. (Als „stolz“ bezeichnete man in der Schwalm die besonders prächtig und sehr reichhaltig verzierten Dinge.) Die „stolzen Zwickelstrümpfe“ wurden aus sehr feinem Garn gestrickt und hatten besonders schöne und aufwändige Muster mit besonders breiten Musterstreifen. Eine Besonderheit bildeten die „eingelegten Strümpfe“. Diese Zwickelstrümpfe hatten aufwändige Strickmuster, bei denen ein zusätzlicher Faden mitgeführt wurde und im Musterverlauf abwechselnd vor und hinter die Strickmaschen gelegt wurde. (Man könnte den Eindruck gewinnen, dass solche Strümpfe nach dem Stricken bestickt wurden. Das ist aber nicht der Fall. Es handelt sich um ein reines Strickmuster.)
Diese stolzeste Art der Zwickelstrümpfe konnten sich nur die geschicktesten oder die reichsten Frauen der Schwalm leisten, da die Technik des „Einlegens“ besonders schwierig ist und nur von wenigen Strickerinnen beherrscht wurde. In Strümpfe, die als besonders wertvoll erachtet wurden, wurden auch Initialen oder eine Jahreszahl eingestrickt – hier „A K E“ Anna Katharina Ermel.
eingestrickte Initialen | knitted initials

Die Strümpfe wurden mit einem feinen Nadelspiel (5 Stricknadeln) von oben nach unten rund gestrickt. Sie bestanden aus mehreren Abschnitten. Den Rand bildete ein 5 – 10 cm hohes „Börtchen“, je nach Trageanlass des Strumpfes aus unterschiedlichen Mustern (2-rechts, 2-links; Lochmustern und Zopfmustern) gestrickt.

unterschiedliche Börtchen | different borders
Börtchen mit Lochmuster | border with peekaboo design

Vom Ende des Börtchens bis zur Ferse verlief auf der Rückseite des Strumpfs ein schmaler, gerader Mustersteifen, „Nähtche“ (= Nähtchen) genannt. Andere, örtlich unterschiedliche Bezeichnungen dafür sind lt. Friederike von Strenge/Schwälmer Jahrbuch 1997: Bibberich“, „Bitzelich“, „Bispelich“, „Öchelich“, „Quetschestein“. Der übrige Strumpf vom Börtchen bis unterhalb des Knies wurde mit glatt rechten Maschen gearbeitet.

Naehtchen | small seam

Auf beiden Seiten der Wade verlief ein mehr oder weniger breiter Musterstreifen, der mit der „Platte“ begann.

Zwickelmuster mit Platte | pattern stripe with plate
Platte mit zwei Musterm | plate with 2 differnt patternsPlatte mit einem Muster | plate with one pattern

Die Platte hatte eine Fünfeck-Form – ein Rechteck mit einer nach unten führenden Spitze. Die Platte war etwas breiter als der darunterliegende Musterstreifen. Für die Platte gab es zwei verschiedene Gestaltungsweisen: entweder wurde sie in den gleichen Mustern gestrickt wie der darunterliegende Streifen, oder sie bekam in der Mitte ein großes, auf beiden Seiten von einem „Zwickelmuster“ begrenztes Herz. Dieses „Zwickelmuster“ setzte sich dann nach unten bis zur Ferse fort.
komplettes Zwickelmuster | complete pattern stripe

Bei Frauenstrümpfen lief das Musterband auf dem Fußrücken weiter bis zur Spitze, da die Frauen neben den hochgeschlossenen Schnallenschuhen auch die ausgeschnittenen „Kommod“-Schuhe trugen. Bei Männerstrümpfen endete das Muster in Fersenhöhe, denn sie trugen nur die hochgeschlossenen Schnallen- bzw. Riemenschuhe (Alltagsschuhe) oder Stiefel.
Bei vielen Frauenstrümpfen verlief links und rechts neben den Musterstreifen eine schmale Musterborte – das „Schlängchen“.

Schlaengchen | curved pattern

Zwischen den Musterstreifen verliefen glatt rechts gestrickte, zwickelförmige Partien, bei denen durch Abnahme von Maschen der Strumpf an die Beinform angepasst wurde. In der Schwalm allerdings bezeichnete man nicht diese zwickelförmigen Partien als Zwickel, sondern die beiden seitlichen Musterstreifen.
Vorderseite eines Zwickelstrumpfes | front part of a stocking
Ferse, Fußsohle und Spitze wurden glatt rechts gestrickt. Die Spitze wurde meist sternförmig abgenommen.
Ferse Sohle und Spitze | heel sole and foot

Es gibt viele verschiedene Strickmuster, die in der Schwälmer Strickerei eine Rolle gespielt haben. Einige davon werde ich in kommenden Artikeln vorstellen.

7 Kommentare
  1. Da ich im Herbst in unserem Stickkreis die Schwälmer Stickerei erlernen möchte, hat mir eine Freundin die Adresse dieses Blogs mitgeteilt und ich bin restlos begeistert.
    Die Strümpfe aus diesem Post gefallen mir gut. Im Vergleich dazu stricke ich nur sehr einfache, schnelle Muster. Aber ein solches Paar würde mich auch einmal reizen zu stricken.
    Vielen Dank für die Impressionen und Hintergrundinfos.
    LG Martina M.

  2. I would really enjoy knowing how to find the patterns used in these patterned stockings. Are there books or published patterns with the various stitches?

    Thank you!
    These are lovely, I have bookmarked your site for more info as it becomes available.
    G Worthy

    • Yes, there is a book. It is „Schwälmer Strickereien“ from Anka Becker (ISBN 3-9802008-4-1). It is German texted. But there are graphs for the different patterns. In a later post I will show parts of Schwalm knitting patterns and I will present the above book.

      • Liebe Frau Happel,
        haben Sie das Buch inzwischen besprochen? Ich kann den Blog-Eintrag nicht finden.
        Danke für Ihre wundervolle Arbeit. Die Stricker unserer Gruppe sind begeistert!
        Beste Grüsse,
        Anna Th. Landers

        • Liebe Frau Landers,
          ein Blog-Beitrag, der sich mit den Strickmustern befasst, heißt „Schwälmer Strickmuster“. Sie finden ihn hier: https://www.luzine-happel.de/?p=4048
          Dort findet sich auch ein kleiner Hinweis auf das Buch von Anka Becker.
          Ich hatte iegentlich vor, noch einen zweiten Beitrag über weitere in der Schwalm gebräuchliche Strickmuster zu schreiben, aber dann haben sich immer andere Themen vorgedrängt.

          • Ah, vielen Dank! Na, falls Sie es noch angehen sollten, dann bekomme ich das hoffentlich mit (große Vorfreude!). Ich habe zwei Fragen zu dem S/W Bild in dem Link aus Ihrer obigen Antwort. Im unteren Viertel der Seite geht es um Tulpenmuster, und ein Bild zeigt eine zweifarbige (oder mehr?) Variante. a) Wird das mehrfarbig gstrickt oder die weitere Farbe nachträglich aufgestickt? b) Für welche Teile der Tracht werden solche mehrfarbige Strickmuster verwendet? Gibt es ein Bild, das solche Stücke angezogen zeigt? NOch einmal herzlichen Dank für Ihre prompte Antwort und beste Grüsse, Anna Landers

          • Eine Besonderheit bildeten die „eingelegten Strümpfe“. Diese Zwickelstrümpfe hatten aufwändige Strickmuster, bei denen ein zusätzlicher Faden mitgeführt wurde und im Musterverlauf abwechselnd vor und hinter die Strickmaschen gelegt wurde. (Man könnte den Eindruck gewinnen, dass solche Strümpfe nach dem Stricken bestickt wurden. Das ist aber nicht der Fall. Es handelt sich um ein reines Strickmuster.)
            Diese stolzeste Art der Zwickelstrümpfe konnten sich nur die geschicktesten oder die reichsten Frauen der Schwalm leisten, da die Technik des „Einlegens“ besonders schwierig ist und nur von wenigen Strickerinnen beherrscht wurde.

            Auf Fotos ist schwer zu erkennen, um welche Strümpfe es sich bei den Trägerinnen handelt. Es gibt ein Bild von Emil Beithan „Schwälmer Bauern in Hochzeitsstaat“ und von Marianne Heinemann das „Schwälmer Hochzeitspaar“. Beide Bräute tragen „eingelegte Zwickelstrümpfe“.

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