Die Schwälmer Weiß­stic­kerei wird auf dicht gewebtem Leinen gear­beitet, ist in den Motivf­lächen fadenge­bunden, ansonsten frei. Sie setzt sich zusammen aus einer Kombination verschiedener Techniken: Flach-/Oberflächen-, Durchbruch- und auch Ausschnittstickerei.

Viele unter­schied­liche, große Motive einfacher Formen wie Herz, Tulpe, Körbchen, „Sonne“ und Vogel werden immer mit Knötchen- und Ketten­stichen – manchmal auch zusätzlich noch mit Zierstichen – umgeben.

Die innen liegenden Flächen werden mit Durch­bruch­mustern verziert.

Räume zwischen den großen Motiven werden dicht gefüllt mit Ranken im Knöt­chen­stich und kleinen Blättern – manchmal auch Blüten – im Platt­stich oder im Schling­stich.

Randabsch­lüsse werden mit verschiedenen Hohlsäumen verziert. Kästchen-, Erbsloch- und Stopfhohl­säume spielen hier eine große Rolle.

Nadel­spitze findet man sowohl zum Flächen­füllen der „Sonnen“ als auch zur Randver­zierung.

Auch die Schwälmer Kronen sind eine weltweite Besonderheit, es gibt sie in dieser Form nirgendwo anders.

Mit ihnen „krönten“ die Bäuerinnen der Schwalm ihre prachtvolle Weißstickerei. Meist wurde auch der Name der Besitzerin, manchmal auch das Jahr der Entstehung durch Stickerei auf dem Leinen festgehalten.

Leinen

LeinenDie Schwälmer Weiß­stic­kerei wird auf dicht gewebtem, reinem Leinen gear­beitet.

Längs- und Querfäden (Kette und Schuss) sollten die gleiche Stärke aufweisen, da es sonst bei den Flächen­füll­mustern und bei den Hohlsäumen zu unter­schied­lichen Stick­bildern kommen kann.

Das Leinen sollte zwischen 20 und 14 Gewebe­fäden pro Zentimeter haben.

Leinen mit weniger Gewebe­fäden – grobes Leinen – ist nicht geeignet, da man dabei in die kleinen Konturen keine Muster mehr einsticken kann.

Sehr feines Leinen erfordert sehr gutes Augenlicht, viel Ausdauer und auch etwas Übung.

Entwürfe

EntwürfeEntwürfe

Den Reiz der Stickerei macht einer­seits die Kombination verschiedener Techniken aus, anderer­seits die nahezu unend­liche Auswahl an unter­schied­lichen Flächen­füll­mustern, die sich in beliebiger Vielzahl und Kombination in den Entwürfen anordnen lassen.

Die Schwälmer Weiß­stic­kerei ist innerhalb der Motivf­lächen fadenge­bunden, das heißt, dass es sich hier um Zähl­muster handelt. Außerhalb der Motivf­lächen ist die Stickerei nicht an den Gewebefäden orien­tiert – sie ist „frei“.

Dieser Kontrast zwischen strenger Gliederung und kreativem Freiraum bringt ästhetische Spannung in die Entwürfe.

Man kann sie immer wieder anders gestalten. Immer aber gehören zu einem Entwurf mehrere unter­schied­liche Motive.

Interessant wird die Stick­technik aber auch durch die riesige Auswahl an Flächen­füll­mustern. Eigen­tlich sind es nur 10 unter­schied­liche Grund­stiche, mit denen die Schwälmer Weiß­stic­kerei auskommt. Durch Abwand­lungen und die Kombination von zwei oder mehr Stichen unter­einander kann man immer wieder andere Muster entwerfen.

Ich habe vor Jahren begonnen , Muster zu sammeln und aufzulisten. Inzwischen habe ich weit über 1000 zusam­menget­ragen. Doch es gibt immer noch „neue“ zu entdecken.

,,Nachzeichnen“ der Konturen

Knötchen- und Kettenstiche

Alle Stiele und Ranken und die Umrisse der Motive werden mit Knöt­chen­stichen „nachge­zeichnet“. Die Umrisse der Motive werden zusätzlich mit innerhalb der Knöt­chen­stiche verlaufenden Ketten­stichen umgeben; manchmal auch zusätzlich noch mit Zierstichen.

Blätter und kleine Blüten werden mit Platt­stichen oder mit Schling­stichen gestickt.

Flächen­füll­muster

Flächen­füll­musterDie innen liegenden Flächen werden mit unter­schied­lichsten Mustern – hier: Limet­mustern – verziert, wobei zur Lockerung des Gewebes Fäden gezogen werden.

Man unter­scheidet drei Gruppen:

1. einfache Durch­bruch­muster -hier werden nur in einer Richtung Fäden ausge­zogen

2. Limet­muster – hier werden (in beiden Richtungen) weniger Fäden ausge­zogen als stehen bleiben

3. Lichte Muster – hier werden (in beiden Richtungen) ebenso viele Fäden ausge­zogen wie stehen bleiben

Einfache Durch­bruch­muster


Mückenstich und WaffelstichBei den einfachen Durch­bruch­mustern werden die Fäden nur in einer Richtung aus dem Stoff entfernt.

Dies geschieht zum einen zur Lockerung des Gewebes, zum anderen kann man auf diese Weise die Fäden leichter zählen.

In diese so vorbe­reiteten Flächen werden Mücken­stich (hier: im Bauchbe­reich der Vögel) und Waffel­stich (hier: im herzför­migen Blatt) einge­stickt.

Limet-Muster


Fadenauszüge LimetmusterBei den Limet – Mustern wird der Unter­grund raster­förmig einge­teilt, d.h., es wird (meist) jeder vierte Längs- und Querfaden aus dem Gewebe gezogen. In dieses Raster werden Marburger Grund­stich, Käst­chen­stich, Rosen­stichmusterungen, unter­schied­lichste Wickel­stichmuster, Limet­rosenmuster oder Kombinationen aller dieser Limet­stiche eingear­beitet.

Das Wort „Limet“ stammt aus dem lateinischen, wurde in der Landver­messung einge­setzt und bedeutet im über­tragenen Sinn Einteilung in immer gleiche Parzellen (Planquadrate).

Lichte Muster


Fadenauszug Lichtes MusterBei den Lichten Mustern werden immer abwech­selnd zwei Gewebe­fäden ausge­zogen und zwei stehen gelassen. Durch das Entfernen der Hälfte der Gewebe­fäden wird der Stoff durch­scheinend, also „licht“.

Die verbleibenden Gewebe­fäden werden durch Umwickeln mit dem Grund­stich gesichert, und dann mit Stopf­stichen, Rosen­stichen oder einer Kombination aus beiden verziert.

Zwischen­räume

ZwischenräumeRäume zwischen den großen Motiven werden dicht gefüllt mit Ranken im Knöt­chen­stich und kleinen Blättern – manchmal auch Blüten – im Platt­stich oder im Schling­stich.

Randabsch­lüsse

Erbslöcher-Stopfstich KombinationRandabsch­lüsse werden mit verschiedenen Hohlsäumen verziert. Kästchen,- Erbsloch- und Stopfhohl­säume spielen hier eine große Rolle.

Manchmal werden diese Einzelelemente auch miteinander kombiniert. Hier zu sehen ist eine Randver­zierung, die aus Käst­chen­stichen, Mücken­stichen, Erbslöchern und Spinnen-Stopfhohlsaum gebildet wurde.

Nadel­spitze

NadelspitzeNadel­spitze findet man sowohl zum Flächen­füllen der „Sonnen“ (Kreise) als auch zur Randver­zierung.

Schwälmer Kronen


Kronen sind ca. handtellergroße, meist dicht verzierte, oft halbkreisähnlich konturierte Lebensbaum- oder Dreisprossgebilde. Die vielen verschiedenen Entwürfe zeugen von höchster Kreativität und einem ausgeprägten Gefühl für Ästhetik. Es gibt Kronen mit wuchtigen Elementen und filigran gestaltete Exemplare, Kronen, die mit nur einem einzigen Gestaltungselement auskommen und andere, die alles bieten, was an Einzelmotiven für die Schwälmer Kronen überhaupt verwendet wurde.

Man findet Kronen auf Bettüberwürfen und Paradekissen, auf Türhandtüchern, Kindertragetüchern und Taufwindeln, auf meist blauen Miedern, selten auch auf Miederjäckchen, Abendmahlsknüpftüchern und Abendmahlstaschentüchern und auf Bräutigamshemden.

Anfänglich wurden die Kronen der Schwalm mit schwarzem Garn gestickt – schwarz war nicht nur die Farbe der Trauer, sondern auch die Farbe des Stolzes! Da zur damaligen Zeit aber die Garne noch nicht farbecht waren, erschienen sie nach der Wäsche in einem warmen Goldton. So ging man, als farbechte Garne auf den Markt kamen, dazu über, die Kronen in einem solchen Goldton zu sticken. Die meisten Zeugnisse von Kronen auf historischen Weißstickereien findet man daher in Gold- und Brauntönen.
Es gibt aber auch vereinzelte Beispiele mit leuchtend rot gestickten Kronen. Deren Besitzerinnen wollten, dass die Stickerei noch besser ins Auge fiel – also „prahlte“.
Schwarz gestickte Kronen findet man fast ausschließlich auf blau eingefärbtem Leinen oder Leinenbatist von Abendmahlstüchern und Knüpftüchern.

2 Kommentare
  1. Madam,

    I’m trying to create a special piece for my parent’s 50th Wedding Anniversary. My heart gravitates towards this type of embroidery. But, what really speaks to me is the book on Assisi — Unfortunately, I do not know German.

    In addition, how many threads do you use ? I tried 3 and it did not look good.

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