– was Stickerinnen beim Kauf beachten sollten

Mein Artikel über „Leinen: Gewebe aus Flachs-Fasern“ hat so viel Anklang gefunden, dass ich jetzt auch noch etwas zu altem, handgewebtem Leinen, so genanntem „Bauernleinen“, sagen möchte.

In Deutschland und den umliegenden Ländern werden noch relativ große Mengen alten, handgewebten Leinens angeboten – von privat über Annoncen, beim Antikhandel, auf Flohmärkten und natürlich bei Ebay. Da die meisten dieser Ballen Leinens auf Bauernhöfen oder für Bauern erzeugt wurden und auch dort über die Jahrzehnte lagerten, wird dieses Leinen auch als „Bauernleinen“ bezeichnet.

Um Ihnen zu zeigen, wie groß das vorhandene Angebot ist, hier nur zwei Links mit den Suchbegriffen „Bauernleinen Ballen“ und „Bauernleinen Rolle“:
http://www.ebay.de/sch/i.html?_nkw=bauernleinen+ballen
http://www.ebay.de/sch/i.html?_nkw=bauernleinen+rolle

Nichts ist schöner, als eine schwalm-typische Stickerei mit überlieferten Konturenmustern und traditionellen Flächenfüllmustern auf altem, handgewebtem Leinen auszuführen.
Handgewebtes Leinen gibt es selten in einer Breite von mehr als 80 cm. Die meisten Leinenbreiten liegen zwischen 60 cm und 75 cm. Will man ein breiteres Objekt anfertigen, muss man die einzelnen Teile mit den Webkanten aneinander nähen.

Doch nicht jedes alte handgewebte Leinen ist für die Stickerei zu gebrauchen. Das hat mehrere Gründe:

  • das Leinen wurde schon bei der Herstellung für gröbere oder andere Verwendungszwecke vorgesehen;
  • das Leinen wurde nicht richtig gelagert
  • das Leinen ist zu ungleichmäßig für diese Art der Stickerei

    • Bei den Recherchen zu meinem ersten Leinen-Artikel bin ich auf eine interessante schematische Darstellung gestoßen. Sie stammt zwar aus dem Jahr 1984 und inzwischen gibt es sicherlich Züchtungen von speziellen Flachs-Pflanzen, die höhere Öl-Erträge oder höhere Faser-Erträge erzielen, aber grundsätzlich ist die Aufstellung auch heute noch gültig.

      Schema der Produkte, die aus Flachs gemacht werden

      Interessant für Stickerinnen sind die farbig markierten Felder. Daraus ist zu ersehen, dass sowohl nach dem Schwingen als auch nach dem Hecheln Kurzfasern anfallen, die ebenso wie die Langfasern verwebt werden. Solche Leintücher wurden für grobe Säcke und für Wagentücher und anderes verwendet.

      Für Stickerinnen interessant sind nur die Gewebe aus den Langfasern. Diese Gewebe haben ein glatteres Aussehen.
      Bei Kurzfaser-Geweben lassen sich Fäden nur sehr schwer und Stückchen für Stückchen ausziehen., weil die Fäden zerfallen und weil das Gewebe durch die vielen abstehenden Faserenden verfilzt ist.

      Kurzfaserleinen_-_short_fibre_linen
      Handgewebte Leinen sind fast immer dicht gewebt. Man muss darauf achten, Gewebe mit Leinwandbindung zu erhalten (es gibt z.B. auch Köperbindung, die ist nicht geeignet). Das Leinengewebe sollte zwischen 14 und 20 Fäden pro cm aufweisen, und zwar die gleiche oder zumindest annähernd die gleiche Fadenzahl in beiden Richtungen (Kette und Schuss).
      Das Leinen sollte möglichst keine Flecken aufweisen – Rostflecken und Stockflecken kann man nicht entfernen (so genannter „Liegeschmutz“ ist kein Problem).

      Wenn Sie Leinen vor Ort kaufen, prüfen Sie den „Griff“ des Leinens – es sollte angenehm in der Hand liegen; bestimmen Sie die Fadenanzahl, halten Sie das Leinen gegen das Licht, um zu sehen, ob größere durchscheinende Stellen vorhanden sind (dann lieber nicht nehmen), gucken Sie, dass keine größeren Verschmutzung da sind. Wenn Ihnen das Leinen danach immer noch zusagt, bitten Sie darum, an einer unauffälligen Stelle am Rand einen Faden ziehen zu dürfen.

      Wenn Sie das Leinen nur über Bilder und Beschreibungen kaufen, achten Sie unbedingt darf, dass die Bilder scharf und Einzelheiten klar und deutlich zu erkennen sind. Es sollte zum einen ein Bild mit dem deutlich sichtbaren Gesamteindruck da sein sowie eine Nahaufnahme, am besten mit einer aufliegenden Geldmünze, anhand deren man die Fadenanzahl ermitteln kann. Meist wird auch noch ein Bild mit dem Gesamtballen gezeigt. Wenn die Bilder dem entsprechen, was Sie sich vorgestellt haben und dann auch noch die Artikelbeschreibung dazu passt, dann kann man das Wagnis eingehen und das Leinen kaufen – ein Wagnis bleibt es aber immer. Man kann die Qualität des Leinens erst erfahren, wenn man es in Händen hält und selbst in ugenschein nehmen kann.

      ungleichmäßsig gewebtes Leinen - uneven weave linen 1Das Leinen zeigt schon auf den ersten Blick eine unruhige Struktur. In der Vergrößerung kann man deutlich erkennen, dass das Leinen sehr ungleichmäßig gewebt ist.

      ungleichmäßig gewebtes Leinen - uneven weave linen 2Dieses Leinen würde ich nicht kaufen, um es zum Sticken zu verwenden.

      gleichmaessig gewebtes Leinen - even weave linen 1

      Dieses Leinen macht einen glatten Eindruck. In der Vergrößerung kann man sehen, dass es sehr gleichmäßig gewebt ist. Dazu kommt die Artikelbeschreibung: „weißes, recht feines, glattes Leinen (s. Foto), 73 cm breit. Das Leinen ist noch nicht benutzt, also ungewaschen und im guten Originalzustand, sauber und ohne Schäden. Es ist also noch grau und wird erst nach dem ersten Waschen schneeweiß. Es stammt von einem Bauernhof in Niedersachsen.
      Diese feine Qualität wurde früher zu Wäsche, Hemden, Bettlaken u.Ä. verarbeitet.

      gleichmäßig gewebtes Leinen - even weave linen 2Bei diesem Leinen würde ich das Wagnis eingehen und es zum Besticken kaufen.
      Sind die Bilder nicht entsprechend und ist der Verkäufer nicht bereit, bessere Bilder nachzuliefern, sollte man unbedingt von einem Kauf absehen.

1 Kommentar
  1. Your article is very interesting. I didn’t know that these kinds of linens existed. I love your Schwalm work. I will have to give it a go when I have time.

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