Sommerbeschäftigung

Von Zeit zu Zeit müssen meine Ausstellungsstücke gewaschen werden. Im Laufe der vielen Monate, die die Stickereien nun schon in der Ausstellung gezeigt werden, hat sich Staub angesammelt. Auch die Sommersonne hat ihr Werk getan und die Decken an manchen Stellen vergilbt. Nun nutze ich meine Sommerpause, um sie nach Hause zu holen, zu waschen und frisch zu bügeln.

Beim Anblick der vielen unterschiedlichen, im Wind auf der Wäscheleine in meinem Garten flatternden Stücke wird mir mal wieder bewußt, welch großer Schatz wundervoller und verschiedenartiger Stickereien sich über die Jahre angesammelt hat.

Ich genieße meinen Sommer – Ausruhen, Sticken und Gartenarbeit stehen auf dem Programm. Mein nächstes großes Projekt, eine reich bestickte Decke, will fertiggestellt werden. Ich freue mich darauf, sie demnächst neben den inzwischen mehr als 400 Stickereien in meiner Ausstellung präsentieren zu können.

Flächenfüllmuster Nr. 546

Kategorie: Limet-Muster
verwendetes Leinen: 13,5-fädig
verwendetes Garn: Vierfachstickgarn Nr. 20
angewandte Stiche: Einfache Rosettenstiche und Rosenstiche
mittlere Längsachse = Fadenrinne
Breite eines Mustersegmentes: 16 Fäden

Zuerst erstellt man ein Limet-Fadengitter mit einer Fadenrinne als mittlerer Längsachse.

Man arbeitet eine Reihe einfacher Rosettenstiche entlang der mittleren Längsachse.

Man arbeitet ein senkrechte Reihe Rosenstiche daneben.

Immer abwechselnd wird eine Reihe einfacher Rosettenstiche neben eine Reihe Rosenstiche gestickt, bis die eine Hälfte der Form gefüllt ist.

Ausgehend von der bestickten Fläche füllt man die zweite Hälfte der Form.

Ein weiteres Muster – auch zum Füllen kleinerer Flächen geeignet – ist entstanden.

Schwälmer Brauch – Pfingstmännchen und Pfingstbügel

Der Schwälmer Pfingstbrauch ist ein Heischebrauch (heischen ist ein veraltetes Wort für einfordern, verlangen). Kinder bitten um Gaben, während sie durch die Ortschaft von Haus zu Haus ziehen.

Der Ablauf wird von Dorf zu Dorf leicht variiert und änderte sich auch im Laufe der Jahrzehnte geringfügig. Im Kern ist er jedoch gleich geblieben.

Die Jungen eines Dorfes ziehen am Pfingstmontag in den Wald. Dort wird einer von ihnen mit frischgrünen Zweigen, Gras und Moos eingebunden zum sogenannten Pfingstmännchen.

Der ganze Körper wurde in Zweige und Grün eingehüllt. Kaum eine Stelle blieb unbedeckt. Nur durch kleine Sehschlitze konnte man aus der Hülle schauen.

Die Bewegungen mit der engen, dicken Hülle waren etwas schwerfällig, aber alle hatten Spaß dabei.

Es war eine besondere Ehre, Pfingstmännchen sein zu dürfen.

Die Mädchen des Dorfes bringen ihre schönsten Seidenbänder zur Näherin, die damit kunstvoll den Pfingstbügel schmückt. Der Pfingstbügel ist ein halbkreisförmiger Schild, oben an einem Mittelstab

oder auch an zwei seitlichen Stäben zum Tragen befestigt. Oft wurden die später sichtbaren unteren Enden der Stäbe mit Schnitzereien verziert oder mit Bändern umwickelt.

Eine Seite des Schildes wird mit roten Bändern geschmückt,

die andere Seite mit grünen Bändern.

Oft ziert ein diagonal angeordnetes Kreuz aus zwei Bändern die Oberfläche zusätzlich. An der oberen Spitze des Bügels wird ein Blumensträußchen angebracht.

Die Mädchen ziehen mit ihrer stolzen Festtagstracht bekleidet und mit kleinen Schwälmer Körbchen bestückt in den Wald, um die Jungen abzuholen.

Die Pfingstbügelträgerin führt den Zug an. Es ist eine besondere Ehre, den Pfingstbügel tragen zu dürfen. Beim Auszug aus dem Dorf wird die rote Seite des Pfingstbügels nach vorn getragen.

Gemeinsam mit dem Pfingstmännchen ziehen die Kinder zurück zum Dorf. Diesmal wird die grüne Seite des Pfingstbügels nach vorn gehalten. Sie symbolisiert das Erwachen und Ergrünen der Natur.

Die unten zu sehende Aufnahme des Fotografen Dr. Andreas Scheller stammt aus den 1940er Jahren.

Zurück im Dorf führte der Weg der Kinder mit dem Pfingstmännchen von Haus zu Haus, um kleine Spenden einzusammeln. Überliefert ist der Empfang von Eiern, Speck, Süßigkeiten und Münzen. Der typische Spruch „Gelle, gelle blanke Mutter, schau die vielen Kinder an, woll´n all ernähret sein. Gib uns Eier, gib uns Speck, schneid ihn von der Seite weg, kratze mit den Nägeln dran, sag der Kitz Katz Kater hätt´s getan“ wird aufgesagt oder es werden bekannte Volkslieder gesungen.

Nach Beendigung des Umzuges wird das Pfingstmännnchen unter dem Beifall der Kinder entlaubt. Die eingesammelten Eier werden zu einem Rieseneierkuchen verbacken. Von dem Geld wird Limonade gekauft. Damit halten die Kinder ein gemeinsames Mahl ab.

Besuch aus Hongkong

Vor einiger Zeit besuchte eine Dame aus Hongkong meine Ausstellung und belegte einen Kurs bei mir. Mimi Chan ist eine perfekte Stickerin und interessiert am Erlernen aller Arten der Stickerei. So besuchte sie die Royal School of Needlework in Großbritannien und schloss ihr Studium dort mit Auszeichnung ab. Sie erreichte die beste Note, die es je in der Schule gab!

Sie tourt durch die Welt, um die verschiedensten regionalen Techniken kennenzulernen. Zu Hause erteilt sie Unterricht. In ihren TOUR Embroidery Klassen gibt sie weiter, was sie auf ihren Reisen erlernt hat.

Nachdem sie von der Schwälmer Weißstickerei erfahren hatte, kontaktierte sie mich, um einen Besuchstermin mit Workshop zu vereinbaren. Nie zuvor hat sie diese Technik gearbeitet, aber sie kannte die meisten der einzelnen Stiche. So lernte sie sehr schnell und sehr viel.

Sie arbeitete sich durch eine Reihe meiner Bücher, immer anhand von kleinen Übungen zeigend, dass sie in der Lage ist, die einzelnen Sequenzen selbstständig problemlos fertig zu stellen.

Im Herbst will sie noch einmal wiederkommen; ich bin sicher, dass sie Eschwege danach als perfekte Schwälmer Stickerin verlassen wird.

Sie genoss die Betrachtung der breit gefächerten Ausstellungsstücke, die so viele unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten der Schwälmer Weißstickerei aufzeigen. Sie fotografierte und stellte ein Video zusammen, dass sie auf YouTube und Facebook zeigt.

Dank Mimi wird die wunderbare Schwälmer Weißstickerei in einem weiteren Teil der Welt bekannt.

Einfacher Rosettenstich

Bei der eingehenden Betrachtung einer Schwälmer Weißstickerei habe ich einen für mich neuen Stich entdeckt – er ist ein weiteres Beispiel der Erfindungskraft Schwälmer Stickerinnen. Sofort habe ich ihn ausprobiert. Hier präsentiere ich das Ergebnis.

Der Stich wird in ein Limet-Fadengitter gearbeitet. Ähnlich dem Rosenstich wird er in vier Schritten von einem Mittelpunkt ausgehend gestickt. Aber dieser Stich wird nicht mit Schlingstichen, sondern mit Wickelstichen ausgeführt. Auch wird er nicht im, sondern gegen den Uhrzeigersinn gestickt. Nirgendwo habe ich einen Namen für diesen Stich gefunden. Daher nenne ich ihn einfachen Rosettenstich.

Am Ende dieses Beitrages befinden sich Instruktionen für Linkshänder.

Man sticht ein Kästchen oberhalb der unteren Kante aus. Der Ausstich ist der Mittelpunkt des Stiches.

*Man überquert ein Kästchen nach unten, sticht ein und im Mittelpunkt wieder aus.

Man überquert ein Kästchen nach rechts, sticht ein und im Mittelpunkt wieder aus. Der Faden wird angezogen.

Man überquert ein Kästchen nach oben, sticht ein und im Mittelpunkt wieder aus. Der Faden wird angezogen.

Man überquert ein Kästchen nach links, sticht ein und bringt die Nadel im nächsten Mittelpunkt – ein Kästchen diagonal nach rechts oben – wieder hervor.*

Man wiederholt die Arbeitsschritte (*). Der erste Schritt dieses Stiches teilt sich den gleichen Platz mit dem dritten Schritt des vorhergehenden Stiches. (Die Fäden liegen dicht nebeneinander.)

Die Reihen werden von unten nach oben gearbeitet. Jedes Loch dieser Längsachse ist der Mittelpunkt eines Stiches. Der Faden wird so angezogen, dass ein deutliches Loch entsteht.

Dadurch werden hübsche, klare Zentrumslöcher gebildet.

Eine Reihe dieses Stiches kann mit Reihen anderer Stiche kombiniert werden – zum Beispiel mit Wickelstichstangen–, um hübsche, gestreifte Muster zu erzielen.

Wenn man eine zweite Reihe dieses Stiches sticken möchte, dreht man die Arbeit um 180° und stickt die zweite Reihe neben die erste. Beim Arbeiten nebeneinanderliegender Reihen, werden sich einzelne Arbeitsschritte dann den gleichen Platz mit Arbeitsschritten der vorgehenden Reihe teilen.

Zwei Reihen dieses Stiches können mit Reihen anderer Stiche kombiniert werden, um weitere gestreifte Muster zu erzielen.

Aber mehr als zwei Reihen des einfachen Rosettenstiches sollten nicht gearbeitet werden. Füllt man die komplette Fläche mit diesem Stich, würde man das gleiche Muster erzielen wie mit Doppelkreuze in geraden Reihen – verkehrt (Mustertücher `Lichte Muster`). Zum Füllen kompletter Flächen lässt sich dieses Muster wesentlich schneller sticken.

Jedoch kann man mit dem einfachen Rosettenstich, wenn man ihn von der Rückseite aus arbeitet, ein hübsche Muster für kleine Flächen erzielen.

Dann ergeben die Stiche, abwechselnd gerade und schräg liegend, einen besonderen Effekt.

Instruktionen für Linkshänder:

*Man überquert ein Kästchen nach unten, sticht ein und im Mittelpunkt wieder aus.

Man überquert ein Kästchen nach links, sticht ein und im Mittelpunkt wieder aus. Der Faden wird angezogen.

Man überquert ein Kästchen nach oben, sticht ein und im Mittelpunkt wieder aus. Der Faden wird angezogen.

Man überquert ein Kästchen nach rechts, sticht ein und bringt die Nadel im nächsten Mittelpunkt – ein Kästchen diagonal nach rechts oben – wieder hervor.*

Man wiederholt die Arbeitsschritte (*). Der erste Schritt dieses Stiches teilt sich den gleichen Platz mit dem dritten Schritt des vorhergehenden Stiches. (Die Fäden liegen dicht nebeneinander.)

Die Reihen werden von unten nach oben gearbeitet. Jedes Loch dieser Längsachse ist der Mittelpunkt eines Stiches. Der Faden wird so angezogen, dass ein deutliches Loch entsteht.

Eine Reihe dieses Stiches kann mit Reihen anderer Stiche kombiniert werden – zum Beispiel mit Wickelstichstangen–, um hübsche, gestreifte Muster zu erzielen.

Wenn man eine zweite Reihe dieses Stiches sticken möchte, dreht man die Arbeit um 180° und stickt die zweite Reihe neben die erste. Beim Arbeiten nebeneinanderliegender Reihen, werden sich einzelne Arbeitsschritte dann den gleichen Platz mit Arbeitsschritten der vorgehenden Reihe teilen.