Leinen ist ein Naturprodukt. Das Endprodukt kann immer nur so gut ausfallen, wie die Vorstufen es erlauben. So fällt auch jede Charge der Weberei Weddigen leicht anders aus. Das ist völlig normal.

Nun erhielt ich Leinen, das für den Kenner auf den ersten Blick etwas anders aussah – es hatte viele kleinste Flusen auf der Oberfläche und hier und da auch mal abstehende Fasern. Ich konnte auch mehr leinen-typische Verdickungen feststellen als bei anderen Breiten/Chargen des gleichen Artikels. Es handelt sich um 16-fädiges Leinen #925 mit einer Breite von 2,30 m.

Leinen-typische Verdickungen sind meist kein Problem. Sie geben dem Stoff den typischen Charakter. Was aber ist mit den Flusen?

Ich habe ein kleines Stück Leinens für einen Test abgeschnitten. Schon beim fadengeraden Schneiden

traf ich auf einen Faden mit einer solch auffälligen Flusenansammlung,

die in der Nahaufnahme so aussieht, wie die untere Abbildung zeigt.

Ich habe einen Reißtest vollzogen – der Faden hielt!

Bei weiteren Untersuchungen stellte ich fest, dass sich die abstehenden Fasern auf dem Faden hin- und herschieben lassen. Sie sind also nicht fest mit dem Faden versponnen. Ich habe sie abgezupft und

den Faden einem erneuten Reißtest unterzogen. Der Faden hielt stand und man kann sehen, dass er durch das Entfernen der Flusen nicht dünner geworden ist. Dieses Ergebnis fand ich schon mal beruhigend.

Aber was ist mit den Faserenden, die hier und da vom Gewebe abstehen?

Diese konnten einfach abgezupft werden,

ohne Schaden am Gewebe zu hinterlassen.

Um die Stickqualität zu testen, habe ich ein kleines Muster aufgebügelt. (Es wird in einem der zukünftigen Beiträge genauer gezeigt werden.)

Wie zuvor erwähnt, konnten die überstehenden Faserenden

leicht abgezupft werden.

Aber wie verhält es sich mit den Fadenverdickungen beim Fadenauszug?

Ich wollte den Fadenauszug für ein lichtes Muster vornehmen.

Dabei haben sich auch die beiden Fäden mit den Verdickungen

problemlos in einem Stück herausziehen lassen.

Die entstandene Fadenrinne ist etwas breiter,

wird aber durch das Sticken des Musters angeglichen. Der Flusenanteil im entstandenen Fadengitter ist nicht höher – vielleicht sogar geringer – als bei anderen Chargen des gleichen Artikels.

Ich habe noch einen langen Faden am Rand ausgezogen. Er ist weniger oft gerissen, als das bei Fäden anderer Chargen oft der Fall ist.

Fazit:
Der erste Anschein von Mangelware hat sich nicht bestätigt. Es handelt sich um kleine Schönheitsfehler, die die Gebrauchstauglichkeit in keiner Weise beeinträchtigen. So wie es aussieht, wurde wohl beim Verspinnen der Leinenfasern nicht sorgfältig genug auf herumfliegende Flusen geachtet, sodass sich diese den entstehenden Fäden anhaften konnten. Im Gegenzug wurden die Fäden aber etwas fester gedreht als sonst üblich. Fest gedrehte Fäden erleichtern den Fadenauszug.

Meiner Meinung nach kann man dieses Leinen also unbedenklich für die Schwälmer Weißstickerei nutzen. Nach der Wäsche sind die feinen Flusen verschwunden, der typische Leinencharakter kommt besonders gut zur Geltung.

2 Kommentare
  1. Ich finde es immer wieder erstaunlich was Sie uns allen zur Verfügung stellen und austesten. Ich freue mich immer auf ihre Blogeinträge.
    Wünsche einen schönen Wochenanfang und weiterhin alles gute das wir noch viel interessante Sachen zu lesen bekommen.
    Gruß Ulrike

    • Dieser Test war nicht ganz uneigennützig. Nach langem Zögern habe ich mich auf Bitten meiner Kunden aus fernen Ländern entschlossen, auch Leinen für die Schwälmer Weißstickerei anzubieten. Es liegt in meiner Art, nur Dinge zu verkaufen, von denen ich selbst überzeugt bin – daher der Test!

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