Vergangenen Dezember berichtete mir eine Stickerin von einem Stift, den sie in ihrer Stickgruppe zum Übertragen der Muster auf den Stoff nutzten und mit dem sie sehr zufrieden ist. Sie empfahl mir, diesen Stift ebenfalls zu nutzen.
Bei dem Stift handelt es sich um einen Tintenroller mit metamorpher Tinte. Diese hat die Eigenschaft, bei höheren Temperaturen (ab 65°C) unsichtbar zu werden.

Ich beschloss, den Stift einem Test zu unterziehen.

Der Stift hat den Namen FriXion Ball und wird von der Firma Pilot produziert. Er ist in unterschiedlichen Farben und verschiedenen Stärken erhältlich. Die mittlere Stärke – 0.7 mm – gibt es in vielen ortsansässigen Geschäften mit Schreibwarenabteilung. So besorgte ich mir einen Stift dieser Stärke sowie ein paar blaue Austauschminen.

Für meinen Test nutzte ich ein kleines Muster und Weddigen Leinen #180.

Nur mit Hilfe eines Lichtpaneels war es möglich, die Musterzeichnung gut durch das Leinen zu erkennen.

Langsam und vorsichtig begann ich, meine Linien entlang des Designs zu ziehen. Für mich – gewohnt mit einem Bügelmusterstift zu arbeiten – war die Übertragung direkt auf den Stoff gewöhnungsbedürftig. Das ständige Auf und Ab der Stiftspitze beim Überqueren der Gewebefäden ließ meine Linien etwas zittrig aussehen. (Vielleicht könnte man durch etwas mehr Übung eine Verbesserung erzielen.)

Wie dem auch sei, insgesamt erschienen die Linien fein (schmal) und klar.

Das Sticken entlang der Linien war kein Problem – nichts verwischte, alle Linien blieben bis zum Schluss klar sichtbar.

Weil beschrieben ist, dass die Linien bei höheren Temperaturen verschwinden, nutzte ich meinen Föhn. Schon nach ein paar Sekunden war mein Projekt frei von Konturlinien.

Nach Kochwäsche zum Einlaufen, Trocknen und Bügeln, war ich mit meiner Arbeit sehr zufrieden: sie erstrahlte in Weiß – und das ganz ohne große Mühe!

Normalerweise wird der Stift zum Schreiben verwendet. Und es kann passieren, dass Sonnenschein die Schrift löscht. Die Produktbeschreibung sagt, dass aus Versehen gelöschte Linien bei niedrigen Temperaturen wieder zum Vorschein kommen: eine kurze Zeit im Gefrierfach (-10°C) hilft, die Schrift wieder herzustellen.

Das zu wissen ist hilfreich, wenn man die Stickerei einmal bei Sonnenschein und warmen Temperaturen mit nach Draußen nimmt und die Konturlinien plötzlich nicht mehr zu sehen sind.

Aber eine fertige Stickerei wird man wohl nur selten in ein Gefrierfach geben. Jedoch zum Test habe ich mein Projekt der Kälte des Gefrierschrankes ausgesetzt.

Schon nach kurzer Zeit kamen blaue Linien zurück.

Das zeigt, dass die Tinte, auch wenn erst einmal unsichtbar, weiterhin auf dem Leinen verblieben ist.

Deshalb muss hinterfragt werden, ob die Tinte eines Tages Schaden am Leinen verursachen kann? Werden vielleicht – bedingt durch einen chemischen Prozess – die Linien irgendwann als gelber oder beiger Schimmer erscheinen?

Die Stickerin, die mir den Stift empfahl, berichtete, dass ihre Gruppe damit seit zwei Jahren arbeitet und bisher noch keine negativen Erfahrungen gemacht hat. Sie sagte mir auch, dass der Stift mit der etwas breiteren Spitze das Aufzeichnen erleichtert.

Solange aber meine aufgezeigten Bedenken nicht ausgeräumt sind, kann ich nach reiflicher Überlegung diesen Stift zur Übertragen der Muster für Weißstickerei guten Gewissens derzeit nicht empfehlen.

Nachgelegt am 06. Juni 2023: Inzwischen habe ich die Reaktion der Stifte auf dem Leinen über mehrere Jahre beobachtet und keine Verfärbungen feststellen können. Auch einige meiner Blogleserinnen, die dem Stift häufig verwenden, konnten keine negativen Auswirkungen feststellen. Daher kann ich nun den Stift zur Musterübertragung oder zum Nachzeichnen verblasster Bügelstiftlinien mit gutem Gewissen empfehlen.

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