Schwälmer Tracht – Tanzecken (2)

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Tanzecken immer prachtvoller. Sie wurden größer und die Verzierungen wurden immer glänzender. Die Tanzecken wurden – zu den jeweiligen Trachtenfarben passend – in rot und in grün gefertigt.
Die roten Tanzecken wurden in feiner roter Seidenstickerei mit einigen grünen Partien ausgeführt. Zusätzlich waren sie mit Gold geschmückt – goldenen Pailletten und Goldbouillon.
Anfangs wurde Goldbouillon nur linienförmig verwendet, um die Ränder der Muster hervorzuheben. Später wurden mit Goldbouillon und Goldfäden auch Flächen gefüllt – zunächst nur kleinere,
dann größere Bereiche
und schließlich zum überwiegenden Teil.
Zusätzlich wurde auch die Randverzierung immer aufwändiger und prachtvoller.
Oft wurden die Initialen der Besitzerin auf die Unterkante gestickt.
Am Ende erkannte man die roten Tanzecken nur noch an der roten Einfassung.
Immer noch sichtbar aber blieben die schwalmtypischen Motive Stern, Tulpe, Herz und Nelke.
Die grünen Tanzecken wurden mit silbernen Pailletten, Silberdraht und Silberbouillon verziert.
Zusätzliche rote Elemente konnte man in den Tanzecken für jüngere Frauen finden,
während die Tanzecken für ältere Frauen lilafarbene Bereiche aufwiesen.
Die allerprächtigsten Exemplare allerdings hatten sowohl silberfarbene als auch goldfarbene Verzierungen, grün an den Kanten und kleine rote Bereiche im Inneren.
Diese Tanzecken sind weitere Bestandteile, die der Schwälmer Tracht Farbe, Glanz und Pracht verleihen.
Sind sie nicht wirklich herrlich?

Schwälmer Tracht – Tanzecken (1)

Tanzecken, auch Schürzenecken genannt, waren wohl ursprünglich Schürzentaschen. Da sich der feine Stoff um die dicken Taschenränder jedoch sehr schnell abnutzte, ging man dazu über, separate Teile in meist quadratischer Form zum Schmuck der Schürzen herzustellen. Diese wurden fein und farbenprächtig mit Seidengarnen bestickt. Sie wurden mit Stecknadeln auf den dunklen Schürzen befestigt – dicht am Rand und dicht unterhalb unterhalb des Schürzenbundes. Und weil sie zum Tanz getragen wurden, erhielten sie den Namen “Tanzecken”.
Im Lauf der Zeit wurden die Tanzecken immer prächtiger. In diesem Beitrag zeige ich Beispiele aus der Zeit um 1850. Sie sind deutlich weniger aufwändig geschmückt als die Tanzecken der Zeit von etwa 1900 an. Sie wurden mit verschiedenen Farben und in vielen unterschiedlichen Mustern gestickt. Die schwalmtypischen Motive (Herz, Tulpe und Stern) sind auf diesen Accessoires zu finden. Die im untenstehenden Bild zu sehende Tanzecke misst 16 cm x 16 cm. Meist waren die frühen Tanzecken kleiner mit Seitenlängen zwischen 11 cm und 14 cm.
Auch das Nelkenmotiv spielte in den Tanzeckenmustern eine Rolle.

Nicht alle, aber die meisten, Tanzecken waren quadratisch.
Im Laufe der Zeit verblassten die ehemals leuchtenden Farnen der Seidenfäden. Man kann eine Vorstellung der ehemaligen Klarheit und Brillianz der Farben beim Blick auf die lichtgeschützte Rückseite einer Tanzecke erhalten.
Um die Kanten herum wurden Seidenbänder genäht und mit Hexenstichen verziert.
Die meisten Muster waren punktsymmetrisch.
Aber es gab auch achsensymmetrische Exemplare.
Grün und rot waren die vorherrschenden Farben, aber blau und lila sind auch zu finden.

Die Rückseiten dieser älteren Tanzecken waren ungefüttert. Das macht es leicht, den Verlauf der Stiche genau unter die Lupe zu nehmen.
Leider ist meine Sammlung beschränkt, so kann ich nur einige Beispiele von frühen Tanzecken zeigen. Aber schon diese wenigen Exemplare lassen einen Blick auf den Sinn für Ästhetik und die enorme Kreativität unseren Vorfahren zu, die diese wunderschönen und imposanten Muster entwarfen.

Schwälmer Tracht – Die Schürzenbändchen

Die schmückenden Bestandteile gaben der stolzen Schwälmer Tracht mehr und mehr Farbenpracht. So auch die schmalen Schürzenbändchen, in der Schwalm „Schürztuchschnürchen“ oder „Forzbengelchen“ (Furzbändchen) genannt. Reich verziert lagen die bunten Bändchen auf dem hinteren Teil der Röcke auf.
Schmale Seidenbänder wurden an beiden Enden reich mit Pailletten, Bouillondraht und kleinen Metallblümchen geschmückt.
Meist blieben die Bändchen ungefüttert, nur manchmal waren sie zur Verstärkung mit einem Papierstreifen hinterlegt.
Man verwendete – meist einfarbige – Seidenbänder, deren Ränder keine glatten Webkanten hatten.
Die Schussfäden waren zu unterschiedlich langen Schlaufen gelegt. Dadurch entstand ein zusätzlicher dekorativer Effekt.
Manchmal wurde auch ein etwas schmaleres, durchgängiges Band an den Enden mit einem Stück breiteren Bandes hinterlegt.
So entstand ein zusätzlicher Effekt.
Die Ausgestaltung der Bändchen war sehr unterschiedlich. Bei älteren Bändchen wurden Tritzer in unterschiedlichen Farben aufgenäht (leider sind diese hier schon ein wenig verblasst) und mit Pailletten besetzt.
Andere Bändchen waren nur mit Pailletten und Bouillondraht ausgestaltet.
Manchmal wurden die Bändchen auch mit Schablonen belegt und
mit Seidengarnen bestickt.
Bei anderen Bändern wurde der Bouillondraht kunstfertig zu den in der Schwalm beliebten Motiven wie Herz, Stern und Tulpe gelegt.
Ganz aufwändige Exemplare enthielten auch die Initialen der Trägerin.
Oft waren die Enden der Bändchen mit Nadelspitze
oder Nadelspitze nachempfundener Metalldrahtgestaltung verziert.
Mit einer kleinen Schleife versehen oder einfach nur mit einem Ankerstich-Knoten in den Schürzenbund eingehängt, fielen die reichverzierten bunten Bändchen über den hinteren Teil der Röcke und bildeten einen starken Kontrast zu dem schwarzen oder dunkelblauen Leinen.

Schwälmer Tracht – Schürzenbänder

Neben den buntgewebten Seidenbändern besaßen manche Schwälmerinnen auch spezielle Schürzenbänder. Je nach Wohlstand oder Fingerfertigkeit fielen diese sehr unterschiedlich aus.

So gab es einfarbige Bänder, die über dem Bund der dunklen Schürze festgenäht wurden
und dann mit den Initialen der Trägerin, kleinen Kreuzstichornamenten und verschiedenen Stickstichen verziert wurden.
Viel aufwändiger waren die Bänder, die fast wie Gürtel gearbeitet waren. Die Machart kann man der ungefütterten Rückseite eines solchen Bandes entnehmen. Ein festes Leinenband (naturfarben) wurde mit einem Leinenstreifen (blau) überdeckt, der über die Kanten zur Rückseite gefaltet wurde.
Schmale grüne Seidenbänder wurden entlang der Kanten befestigt.
Die Vorderseite wurde mit unterschiedlichen Pappschablonen belegt, über die mit Seide (lila) und Wollgarn dichte Plattstiche gestickt wurden.
Die Räume zwischen den Pappschablonen wurden mit Knötchenstichen, Schlingstichen, Kettenstichen und Plattstichen fein säuberlich gefüllt.
Herz, Tulpe, Stern und Kreuz sind hier die Hauptmotive.
Der Rand wurde mit kleinen, zick-zack-förmigen Bortenmustern verziert.
Im Rücken wurden die Bänder mit feuervergoldeten Schließen zusammengehalten, deren kleine Kettchen halfen, das Band dem Taillenumfang anzupassen.
Noch farbenfroher ist ein Band, das nur mit Seide bestickt wurde. Ein grünes wurde auf ein etwas breiteres rote Seidenband gelegt. Die Schablonen wurden auf dem grünen Seidenband befestigt
und mehrfarbig umstickt.
Die Räume zwischen den Motiven von Herz, Tulpe, Stern und anderen wurden nur teilweise bestickt, so dass das Seidenband noch sichtbar ist.
Dieses Schürzenband wurde mit farbigem Baumwollstoff abgefüttert.
Auch dieses Schürzenband wurde im Rücken mit einer vergoldeten Schließe geschlossen.
Diese speziellen Schürzenbänder waren phantastisch angefertigt und verbreiteten zusätzliche Pracht. Doch nur sehr wohlhabende Frauen waren in der Lage, sich solch aufwändige Bänder leisten zu können. Die meisten Frauen mussten sich mit den bunt gewebten Seidenbändern zufrieden geben.

Schwälmer Tracht – Die bunt gewebten Seidenbänder

Farbenprächtige Bänder aus Seide oder einer Kombination aus Seide und Metallfäden gehörten in großer Anzahl zur Ausstattung einer Schwälmerin, denn sie wurden für unterschiedliche Gebräuche benötigt.

Die bunten Bänder wurden zum Schmuck der Rocksäume verwendet.
Der Bund der dunklen Schürzen wurde mit diesen Bändern überdeckt – meistens wie ein Gürtel getragen
und im Rücken mit Haken und Öse verschlossen,
manchmal auch vor dem Bauch als Schleife gebunden.

Ebenfalls zur Schleife gebunden und dann im Nackenbereich der Weste festgesteckt, dienten sie zur zusätzlichen Zierde, wenn die Kappenschnüre mit ihren prachtvollen Verzierungen dem Anlass entsprechend auf der Brust getragen wurden.
Bunte Bänder verwendete man zur Anfertigung einfacher Strumpfbänder, die dann manchmal noch mit Pailletten, Bouillondraht und Nadelspitze verziert wurden.
Man verwendete sie zur Anfertigung der „Lust“ des Bräutigams, einer besonderen Dekoration, die an dessen Hut befestigt wurde.
ebenso wie zur Herstellung des „Geschappels“ für Brautjungfern und Braut.
Auch für die „Bretter“ der „Brettmädchen benötigte man viele Seidenbänder.
Junge Mädchen trugen ihre schönsten Bänder mit einem „Pfingstbügel“ zur Schau.

Schöne bunte Seidenbänder wurden also in großen Mengen benötigt, und so ist es nicht verwunderlich, dass diese in vielen Mustervarianten gewebt wurden. Natürlich waren die rotgrundigen Bänder in der Überzahl, denn die jungen Mädchen wollten sich besonders schmuckvoll herausputzen, um eine gute „Partie“ zu machen.

Die Bänder waren aus Seide oder Seide kombiniert mit Metallfäden gewebt und hatten eine Breite von 4 cm bis 9 cm. Am gebräuchlichsten waren Bänder einer Breite von 6,5 cm. Im Folgenden zeige ich eine Auswahl solcher Bandmuster – darunter befinden sich auch einige sehr alte Exemplare.

Die rotgrundigen Bänder gehörten zur roten Schwälmer Tracht und wurden von Mädchen bis zur Heirat getragen.







Die grüngrundigen Bänder mit rot gehörten zur grünen Schwälmer Tracht und wurden von jungen Frauen kurz nach der Heirat getragen.



Die grüngrundigen Bänder mit lila gehörten ebenfalls zur grünen Schwälmer Tracht und wurden von verheirateten Frauen bis zum Alter von ca. 40 Jahren getragen.
Die blauen oder lilafarbigen Bänder gehörten zur blauen Schwälmer Tracht und wurden von Frauen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr getragen.





Natürlich gab es die einzelnen Muster in verschiedenen Farbstellungen. Bandwebereien gab es in
der Gegend um Wuppertal, die meisten Bänder der Schwälmerinnen wurden jedoch aus Frankreich
importiert.

Wenn man die Schönheit und die Farbenpracht der Bänder sieht und wenn man bedenkt, dass die Schwälmer Frauen ein eher karges Leben hatten, kann man ermessen, dass sie diese Bänder liebten und sammelten, sich an ihnen erfreuten und sie zur Schau stellten.