Schwälmer Konturenmuster (9) – 2 kurz-2 lang

Wie bereits in dem Beitrag Schwälmer Konturenmuster – Bogenverzierungen erwähnt, werden in der Schwälmer Weißstickerei einfache Motive oft mit zusätzlichen Dekorationen verziert.

Neben der bereits beschriebenen Bogenverzierung, die die beliebteste und gebräuchlichste Art der Umrandung von Motiven ist, gibt es einige andere Möglichkeiten, die Ränder von Flächen mit dekorativen Stickereien zu schmücken. Eine bietet das Muster „2 kurz-2 lang“. Meist werden Kreise, oft auch Herzen, damit verziert; an anderen Motiven sieht man diese Dekoration seltener.

2 kurz-2 lang als Umrandung eines Kreismotives (Sonne) auf einem Paradekissenbezug von 1821

2 kurz-2 lang als Umrandung eines Kreismotives (Sonne) auf einem Paradekissenbezug von 1821

Wie der Name schon sagt, wird das Muster durch ständig abwechselnd jeweils 2 kurze und 2 lange Stiche gebildet. Die Stiche werden dicht nebeneinander und gleichmäßig – sowohl in Länge als auch im Abstand – gestickt. Die kurzen Stiche sollten etwa halb so lang sein wie die langen Stiche oder geringfügig länger. Wenn sie in einer geraden Reihe gestickt werden und wenn es auch noch zusätzlich möglich ist, die Gewebefäden zu zählen, gelingt die Stickerei einfach und gleichmäßig,
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wie die Vergrößerung zeigt.
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Doch die Formen der Schwälmer Motive sind meist gerundet, und Sticken nach Augenmaß ist schwierig. In den Zeichnungen der Schwälmer Konturenmuster wird die Dekoration „2 kurz-2 lang“ oft dargestellt, wie im Bild unten zu sehen.
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Während man stickt, ist es nicht vorteilhaft, zu viele Linien als Vorgabe zu haben. Im Gegenteil: wenn sie nicht perfekt aufgezeichnet sind, stören sie nur. Abhängig von der Größe des Motives ist es gut, zumindest eine zusätzliche Markierung zu haben (für die langen Stiche), besser sind zwei zusätzliche Markierungslinien (eine für die kurzen und eine für die langen Stiche), um die Länge der Stiche konstant halten zu können.
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Und um sicherzustellen, dass die Stiche immer im rechten Winkel zur Konturenlinie verlaufen, kann man ein paar zusätzliche Markierungen anbringen, die im rechten Winkel zur Kontur liegen.
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Bei Kreisen ist es einfach zusätzliche Markierungen im rechten Winkel zur Kontur zu zeichnen, denn wenn man diese Markierungen verlängern würde, müssten sie durch den Mittelpunkt des Kreises verlaufen.
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Bei Herzen und anderen Konturformen ist es etwas schwieriger, aber auch möglich, wenn man einen Winkelmesser benutzt.

Sehr wichtig ist, das man die Arbeit während des Stickens immer so dreht, dass die Stiche horizontal von rechts nach links gearbeitet werden können. Das erlaubt eine bessere Kontrolle darüber, ob die Stiche wirklich im rechten Winkel zur Konturenlinie liegen.

2 kurz-2 lang als Umrandung eines Herzmotives; die Stiche rechts oben liegen nicht genau rechtwinklig zur Konturenlinie

2 kurz-2 lang als Umrandung eines Herzmotives; die Stiche rechts oben liegen nicht genau rechtwinklig zur Konturenlinie

fast perfekt 2 kurz-2 lang als Umrandung eines Herzmotives

fast perfekt 2 kurz-2 lang als Umrandung eines Herzmotives

Schwälmer Konturenmuster (8) – Anordnungsmöglichkeiten (3)

Manchmal ist es aus Gründen eines harmonischen Designs notwendig, symmetrische Formen nicht gerade oder diagonal zum Fadenlauf zu platzieren.

Eine perfekte Stickerin kann einen Ausgleich schaffen, indem sie ein passendes Flächenfüllmuster kreiert, wie auf dem Foto unten zu sehen ist.
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Die Form läuft nicht diagonal (rot) oder gerade (blau), zum Fadenlauf, sondern irgendwo dazwischen (grün) . Dennoch wurde ein Muster gefunden, das die Mittelachse betont und sich so harmonisch der Form anpasst.
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Oder man kann ein neutraleres Flächenfüllmuster verwenden, bei dem der Fadenlauf von untergeordneter Bedeutung ist, wie Waffelstiche
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oder Mückenstiche, Rosenstiche oder Marbuger Grundstiche (unteres Foto).
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Besser ist es aber immer, symmetrische Figuren von vorn herein gerade oder diagonal zum Fadenlauf zu platzieren und für alle anderen Plätze asymmetirische Figuren oder Kreise zu wählen.

Teil 1 der Serie
Teil 2 der Serie

Schwälmer Konturenmuster (7) – Anordnungsmöglichkeiten (2)

Damit die Durchbruchmuster später in den jeweiligen Figuren besonders gut zur Geltung kommen, sollte man achsensymmetrische – also an der Mittelachse gespiegelte – Formen in einem Konturenmusterentwurf immer gerade oder diagonal zum Fadenlauf anordnen.

Eine Stickerei wirkt perfekter, wenn sich das gewählte Flächenfüllmuster der Form harmonisch anpasst, wie im Bild unten zu sehen.
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Wenn nicht darauf geachtet wird, dass das Flächenfüllmuster mit der Motivform harmonisiert, ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend, wie die unten abgebildeten Tulpe zeigt.
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Für Teilflächen eines Designs, in denen dies nicht eingehalten werden kann, sollte man auf Kreisformen oder asymmetrische Formen zurückgreifen.
Schauen wir uns unter diesem Gesichtspunkt die beiden bereits betrachteten Entwürfe noch einmal an. Die blauen Linien bedeuten geraden Fadenlauf, die roten diagonalen.
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Frau Thielmann hat bis auf zwei Tulpen pro Viertel diese Gesichtspunkte beachtet.
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Frau Schneider hat in den Hauptfiguren diese Gesichtspunkte beachtet und sehr geschickt einen großen Teil der Restfläche mit unterschiedlichen Kreisen und asymmetrischen Figuren gefüllt. (Bei den wenigen achsensymmetrischen Formen, die nicht gerade oder diagonal zum Fadenlauf liegen, fällt das in diesem Beispiel nicht auf, da Muster aus der frühen Schwälmer Weißstickerei verwendet wurden, und da ist man nicht vom Fadenlauf abhängig.)
Fortsetzung folgt!
Teil 1 der Serie

Schwälmer Konturenmuster (6) – Anordnungsmöglichkeiten (1)

Ursprünglich waren die meisten Schwälmer Konturenmuster in geraden Borten angeordnet, denn man verzierte überwiegend Bettüberwürfe, Paradekissen und Mieder mit der Stickerei. Auch Eckmotive kannte man, die vorwiegend auf Abendmahlstaschentüchern zum Einsatz kamen. Auf den Bräutigamshemden fand man auch andere Musteranordnungen.

Mit den sich ändernden Lebensgewohnheiten und den damit verbundenen anderen Gebräuchen der Stickerei, zum Beispiel als Tischwäsche, änderten sich auch die Musteranordnungen.

Kranzmotive wurden sehr beliebt. Aber auch alle anderen geometrischen Grundformen wie Quadrat, Rechteck und Oval sowohl als Mittelmotive
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als auch als Borten in unterschiedlichesten Breiten
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ebenso, wie Kreis, Halbkreis, Halboval und Kreuz sind zu finden;
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dazu auch noch individuell gestaltete Formen.
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Natürlich gibt es sehr viele unterschiedliche Entwürfe von verschiedenen Designerinnen. Aber nicht immer kommt man an diese heran. Ein eigenes Konturenmuster zu entwerfen, bereitet nicht nur viel Spaß, sondern man kann auch die Form und Größe seinen eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen ganz individuell anpassen. Man kann Formen verwenden, die man ganz besonders gern mag. Man kann schöpferisch tätig werden und sich so etwas erschaffen, was einzigartig auf der Welt ist.

Um Sie dabei zu unterstützen, bin ich dabei, einen Konturenbaukasten zu erstellen, der hunderte von Formen zu freien Auswahl zur Verfügung stellen wird. Dies ist allerdings ein sehr aufwändiges Unterfangen und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich Sie unterrichten. Hier folgen erst einmal ein paar Tipps zum Erstellen von Konturenmustern.

Zunächst muss man sich für eine Grundform entscheiden und deren Größe festlegen. Dann sollte man die mittlere Längs- und Querachse sowie Diagonalen markieren, die später mit dem Fadenlauf des Leinens übereinstimmen. Hier soll ein Kranzmotiv entstehen bzw. näher betrachtet werden. Die beige eingefärbte Fläche soll mit einem Konturenmuster verziert werden.
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Dazu nimmt man zunächst Motive wie Tulpe, Herz, Kreis usw., ordnet sie in der Fläche an und füllt die Zwischenräume mit Stielen, Spiralen, kleinen Blättchen oder kleinen Blüten.
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Nicht alle Motive müssen dabei bis an den Rand der Grundform reichen – die Grundform muss aber erkennbar sein, wie das Bild mit dem Ausschnitt einer Konturenzeichnung zeigt.
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Welche Motivgrößen man wählt, wie dicht man die Formen setzt, wie man die Zwischenräume füllt, all dies ist Geschmacksache. Zur Verdeutlichung zeige ich unten zwei sehr unterschiedlich gestaltete Kranzmotive, die ungefähr die gleiche Größe haben.
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Frau Alexandra Thielmann verwendete für ihren Entwurf (Bild oben) relativ kleine und verspielte Motive und füllte die Zwischenräume locker mit geschwungenen Stielen und vielen Blättchen.
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Frau Herta Schneider verwendete für ihren Entwurf (Bild oben) eher klassisch schnörkellose Motive und setzte sie sehr viel dichter. Sie füllte die Zwischenräume mit verbindenden Stielen, mit vielen Spiralen, einigen Blättchen und kleinen Blüten.

Um weitere Eindrücke der Gestaltungsmöglichkeiten zu erhalten, gehen sie bitte zu meiner Seite Vielfalt und schauen Sie sich die dortigen Bilder unter den Gesichtspunkten „Motivgröße“, „Dichte der Motivanordnung“ und „Zwischenraumfüllung“ an.
Weitere Konturenbeispiele finden Sie im Kopfteil meiner Website. Sie wechseln automatisch, wenn Sie eine andere Seite anwählen. Eine riesige Auswahl hervorragender Beispiele finden Sie in meinem Ausstellungskatalog 2011 „Kunst der Schwälmer Weißstickerei“.

Schwälmer Konturenmuster (5) – Bogenverzierungen (4)

Fächerförmig angeordnete Bögen kann man in vielen verschiedenen Varianten besticken. Hier sind ein paar Beispiele. Das gleiche Design eines Granatapfels

Bogen_Konturwurde gewählt, um die Bögen

Bogen_fmit Knötchenstichen,

Bogen_gmit Plattstichen zwischen zwei Reihen von Knötchenstichen,

Bogen_hmit Schlingstichen,

Bogen_iund mit Kötchenstichen und Schlingstichen zu besticken.

Viele weitere Möglichkeiten kann man durch eigene Kreativität finden.

  • Vielleicht Knötchenstiche kombiniert mit Schlingstichen und Plattstichen;
  • oder Knötchenstiche mit Schnürlochbögen
  • oder Schlingstiche mit Schnürlochbögen;
  • oder mit Bouillonknoten als zusätzlicher Dekoration
  • oder …

Einmal mehr konnte ich hier die unendliche Vielfalt der sich bietenden Gestaltungsmöglichkeiten dieser faszinierenden Sticktechnik aufzeigen.