Wie kamen die Knötchenstiche in die Schwalm?

Ein signifikantes Merkmal dessen, was wir heute als Schwälmer Weißstickerei verstehen, sind die linienbildenden Knötchenstiche, auch Korallenstiche genannt.

Spir_5

In der Schwalm habe ich die bisher frühesten Knötchenstiche nicht in der Weißstickerei entdeckt, sondern in einer rot gestickten Krone. Die Stickerei trägt die Jahreszahl 1787.

Die Knötchenstiche wurden als Stiele und um die Durchbruchmuster herum gearbeitet.

Die dazugehörige Weißstickereiborte besteht aus einem breiten Doppeldurchbruchband, das mit Stopfstichen, Rosenstichen und Grundstichen verziert wurde.

In der Schwälmer Weißstickerei habe ich die bisher frühesten Knötchenstiche auf einem Bettüberwurf aus dem Jahr 1793 gefunden. Auch hier ist die Krone rot gestickt und weist Knötchenstiche auf. Aber auch in der danebenliegenden Weißstickerei wurden Knötchenstiche gearbeitet – zur Umrandung der Durchbruchmusterflächen, für Stiele und Spiralen.

Beide Textilien sind im Museum der Schwalm in Ziegenhain ausgestellt.

Wie aber gelangten die Knötchenstiche in die Schwalm?

In einer Abhandlung von Agnes Geihseder über die Geschichte der Stickkunst habe ich die Information gefunden, dass im 17. Jahrhundert unter anderen auch der Knötchenstich zu einer angewandten Methode dieser Zeit wurde.

Aber sowohl die bäuerlichen Stickereien in Tschechien als auch die frühe Hedebo-Stickerei in Dänemark, die beide Ähnlichkeiten mit der Schwälmer Weißstickerei aufweisen, gebrauchten den Knötchenstich nicht.

Bisher habe ich keinen Hinweis darauf gefunden, auf welchem Weg der Knötchenstich in die Schwalm gelangt ist.
Vielleicht können Sie weiterhelfen: In welchen Regionen Europas war vor 1780 der Knötchenstich Bestandteil regionaler Stickereien?

Schwälmer Weißstickerei und Goldgelb (1)

Die Farbe Gold in Verbindung mit Schwälmer Weißstickerei hat Tradition. Denn hauptsächlich Goldtöne wurden zur Gestaltung der Kronen genutzt.

Heutzutage setzt man die warme Farbe auch gern für weihnachtliche Stickereien ein.

Ihr sparsame Gebrauch hebt Elemente hervor, setzt Glanzlichter, sorgt für eine harmonische Abrundung und unterstützt die Wirkung bestimmter Punkte.

Seltener wird ein zarter Goldton etwas großzügiger eingesetzt, wie hier in der Krippenszene.

Alle Umrisse und ein Großteil der Flächenfüllmuster wurden in Gold gestickt.

Muster der frühen Schwälmer Weißstickerei kamen ebenso zum Einsatz wie einfache und Limet-Durchbruchmuster. Die ohne Fadenauszug auskommenden Muster der frühen Schwälmer Weißstickerei eignen sich besonders zur Gestaltung kleiner Flächen.

In einigen Bereichen der Königsgewänder wurde ein einzelnes Muster mit zwei Farben gestickt.

Frohe Weihnachten!

Schwälmer Weißstickerei und Blau (5)

In der Schwalm wurde auch schweres, blau-weißes Damastleinen mit unterschiedlichen Musterungen gewebt (z. B. siehe Hintergrundstoff hier).
Es wurde für Bettwäsche (letzte drei Bilder), Bett- und Fenstervorhänge sowie für Tischdecken verwendet.

Bei einem Besuch im Museum der Schwalm vor einigen Jahren entdeckte Gertrude Vorwerk einen Restposten solchen Leinens mit dem sogenannten „Bäumchenmuster.“ Sie kaufte den gesamten Vorrat umgehend auf.

Zuerst fertigte Sie Übergardinen (zu sehen auf dem Bild ganz unten) und bestickte eine dazugehörige Schabracke mit Schwälmer Motiven. Dann nutzte sie Teile des Stoffes, um daraus einen passenden Bettüberwurf zu gestalten. In Kombination mit in Schwälmer Weißstickerei besticktem, handgewebtem weißem Leinen ließ sie eine wunderschöne, riesige Tagesdecke für ein Doppelbett entstehen.

Die Mitte verziert ein beliebtes Kronenmotiv, ergänzt durch die Initialen der Stickerin. Drum herum wurde ein schmaler Streifen des Damastgewebes angesetzt. Hierfür verwendete sie den gestreift wirkenden Teil des Stoffes, der sich auch als Randeinfassung wieder findet.

Der nächste bestickte und zum Quadrat angeordnete Streifen zeigt ein umlaufendes Wellenmotiv. Dieser Streifen wurde mit einem etwas breiteren Streifen des Damastgewebes eingefasst.

Ein noch breiterer Streifen folgte – bestickt mit einer aufwändigen Weißstickereiborte.

Eine besondere Herausforderung war die Fortführung der Stickerei über die Ansatznähte hinweg. Diese hat Gertrude Vorwerk hervorragend gemeistert.

Auf einen weiteren, sehr breiten Streifen des Damastgewebes folgte ein unbestickter weißer Leinenstreifen, der mit einem schmalen Streifen des Damastleinens eingefasst wurde.

Gertrude Vorwerk hat ungefähr 3 Jahre benötigt, um ihre Lieblingsmuster auf das alte Leinen zu sticken. In Verbindung mit dem blau-weißen Damastleinen entstand eine ganz außergewöhnliche und einmalige Decke, an deren Anblick sich die Stickerin täglich auf´s Neue erfreut.

Danke, dass auch wir daran teilhaben dürfen!

Schwälmer Weißstickerei und Blau (1)
Schwälmer Weißstickerei und Blau (2)
Schwälmer Weißstickerei und Blau (3)
Schwälmer Weißstickerei und Blau (4)