Wie arbeitet man ein Schwälmer Käppchen

Ein Schwälmer Käppchen herzustellen, erfordert neben sehr viel Geduld und Geschick auch einiges an Material.
Zunächst benötigt man eine passende Schablone, Leinen oder anderen festen Stoff, und Seidengarne in den gewünschten Farben. Hier wird ein zur grünen Tracht passendes Käppchen gezeigt.

Um den Werdegang originalgetreu darzustellen, habe ich ein Käppchen aufgetrennt und zeige die Bilder von der Zerlegung jetzt in umgekehrter Reihenfolge.

Wie in dem Artikel Alte Handwerkskunst – Die Buntstickerin beschrieben, wird die Schablone mit einigen Heftstichen auf Grundstoff befestigt, in einen Rahmen gespannt und dann mit Seidengarn dicht überstickt.

Verbliebene Freiräume zwischen den Schablonenteilen werden ebenfalls mit Seidengarnen gefüllt. Der Rand wird durch Plattstiche unterschiedlicher Länge in eine gleichmäßige ovale Form gebracht.

Der Grundstoff wird dicht an der Stickerei abgeschnitten.

Bei vielen Käppchen der grünen Tracht wurde ein grüner Seiden- oder Dameststoff zwischen Schablone und Grundstoff gelegt – hier fungierte ein rötlich-brauner Stoff als Zwischenlage.

Das Bild unten zeigt einen Kappenbodenaussschnitt von der Rückseite.

Zur Befestigung der Kante des Kappenbodens wird ein an der Nähkante gefalteter Streifen grünen Damests mit überwändlichen Stichen befestigt.


Die Enden werden überlappend zusammengenäht.

Das untere Bild zeigt die Rückseite der Arbeit.

Zur Versäuberung der Innenkante wird nun ein aus vier Teilen bestehender (jeweils 2 davon sind bereits zusammengenäht) derber Leinenstreifen in Breite der gewünschten Kappenwandhöhe von innen mit überwändlichen Stichen an den Kappenboden genäht

und zurückgestülpt.

Das untere Bild zeigt die Kante des Kappenbodens von außen.

Damit die Kappenwand die nötige Steife bekommt, werden weitere Lagen derben Leinens oder groben Stoffes zugeschnitten,

von außen gegen den bereits angenähten Leinenstreifen gelegt

und bis dicht unter das grüne Band geschoben.

Mit vielen Reihen von Vorstichen werden die Lagen fest zusammengehalten.

Mit dickem Garn werden zur Unterkante hin mehrere Reihen von Vorstichen gearbeitet, um die Stofflagen etwas zusammenzukräuseln, damit die Kappenwand ihre nach unten konische Form erhält.

Die offenen Schmalseiten

werden zusammengeführt und

mit überwändlichen Stichen geschlossen

Die offene Unterkante wird mit überwändlichen Stichen zusammengehalten.

Das grüne Band wird nach unten geklappt

an den Seiten zugenäht und mit mehreren Stichreihen an der Kappenwand befestigt.

Die untere Mitte einer der Breitseiten erhält eine kleine Spitze.

Die Außenwand der Kappe wird mit schwarzer Seide oder – wie hier – mit schwarzem Satin bezogen.

Der schwarze, äußere Überzug besteht aus 4 Teilen, die nach unten hin schmaler zugeschnitten sind. Diese werden zunächst mit feinen Stichen am Rand des Kappenbodens befestigt

und denn jeweils mittig an den Schmal- und

Längsseiten zusammengenäht.

Die kleine Spitze an der einen Seite wurde besonders herausgehoben.

Der schwarze Stoff wird nach innen umgeschlagen und festgenäht.

Ein typisches Schwälmer Käppchen ist fertiggestellt.

Mit passenden, festgesteckten Bändern, den sogenannten Kappenschnüren ergab sich ein schmückendes Ensemble des Schwälmer Trachtenzubehörs.

Schablonen für Kappenböden und deren unterschiedliche Ausgestaltung (2)

In Teil 1 konnte ich schon eine große Anzahl verschiedener Muster zeigen. Der zweite Teil hält vorwiegend Muster mit Sternen und Vögeln bereit.

Viele hübsche Schablonen haben einen Stern im Zentrum.


Stern mit Blütenblättern


gestickt mit Wolle in grün und lila,


und in grün mit rot.


Stern mit einem Kreuz im Zentrum, umgeben von Tulpen und Blütenblättern – ohne


und mit Umrandung


gestickt mit Wolle und Seide in grün und lila,


und ebenfalls gestickt mit Wolle und Seide in zwei Schattierungen grün und lila,


in grün mit rot,


in schwarz mit lila,


in schwarz mit rot.
Ich habe auch einige Schablonen ohne passende Käppchen:

Stern mit Tulpen, Herzen und Nelken,


in zwei Ausführungen


und Stern mit Tulpen und Nelken,

und zwei weitere ohne Sterne.

Auch habe ich einige Käppchen ohne passende Schablonen:

Ein attraktives Design existiert nur als Zeichnung.

Die wenigen Muster, die Vogelmotive enthalten, sind für mich besonders interessant. Es heißt, der Kappenbodenstecher Johannes Knapp (geboren 1868) aus Loshausen habe sie entworfen.

Hier konnte ich weitere 23 Muster – als Schablonen oder als Stickereien – zeigen. In den Museen in Schwalmstadt-Ziegenhain und Schrecksbach-Holzburg kann man sicher viele weitere Beispiele der traditionellen Schwälmer Käppchen und ihrer Schablonen finden.
Zufällig hat Jessica Grimm das Museum kürzlich besucht. Sie postete einen netten, sehenswerten Beitrag auf ihrem blog.

Schablonen für Kappenböden und deren unterschiedliche Ausgestaltung (1)

Die Schwälmer Stickerei verwendet nur eine sehr begrenzte Anzahl von Motiven. Die immer wieder wechselnden Kombinationen oder Anordnungen in Verbindung mit der unterschiedlichen Farbgebung lassen auch für die relativ kleinen Flächen der Kappenböden eine ungeahnte Fülle an reizvollen Musterungen entstehen. Davon will ich hier einen kleinen Einblick geben.

Die mir vorliegenden Schablonen sind nicht alle die ganz exakt gearbeitet und die Käppchen dem Alter geschuldet schon manchmal etwas verschlissen – aber man kann die Pracht dieser kleinen Trachtenaccessoires durchaus erkennen.

Soweit vorhanden, zeige ich zunächst die zugrunde liegende Schablone und danach verschiedene bestickte Exemplare.


Ein Herz mit vier Tulpen und drei Rosetten


in grün mit rot


und in schwarz mit grün.


Ein Herz mit vier Tulpen und drei Stern-Blüten


in grün mit rot und pink,


und ähnlich in rot mit grün und gold,


in schwarz mit grün


und schwarz mit grün und lila.


Ein Herz mit vier Tulpen und drei Nelken


mit einer leichten Abwandlung des gleichen Musters


bestickt mit Wolle in grün und rot,


in grün mit lila


und noch einmal mit grün und lila,


in schwarz mit grün und lila,


in schwarz mit lila,


in schwarz mit weiß


und nochmal in schwarz mit weiß. An den beiden schwarz-weißen Beispielen ist deutlich zu sehen, wie man durch die Verteilung der Farben unterschiedliche Akzente setzen kann.


Ein Herz mit elf Tulpen


etwas abgewandelt in grün mit lila.


Vier Herzen von der Mitte ausgehend und Tulpen


etwas abgewandelt in grün mit lila.


Fünf Herzen, zwei Tulpen und zwei Nelken


in grün mit lila,


grün mit rot,


nochmal grün mit rot,


grün mit schwarz,


schwarz mit lila/pink und grün,


rot mit grün,


rot mit grün und gold,


rot mit grün,


schwarz mit lila,


nochmals schwarz mit lila,


schwarz mit pink und grün


und schwarz mit weiß.


Gefäß mit Tulpe, vier Herzen und zwei Nelken


in grün (etwas verblasst) mit lila,


grün mit lila,


zwei Schattierungen grün mit lila


und noch einmal in grün mit lila,


in grün mit rot,


in grün mit rot, lila und gelb,


in grün mit rot und lila,


in grün mit schwarz,


in rot mit grün und gold,


in rot mit grün,


in rot mit grün und silber


und in pink/in lila mit schwarz.


Gefäß mit Tulpe und sechs Herzen


in grün mit lila, teilweise mit Wolle bestickt,


in grün mit lila


und in schwarz mit grün.

Besonders die letzten beiden Beispiele zeigen anschaulich, wie individuelle Interpretation trotz Verwendung gleicher Schablonen erheblich variieren kann.

Auch wenn die Käppchen der Schwälmer Tracht mit Rotkäppchen in Verbindung gebracht werden, zeigt dieser Überblick, dass rote Käppchen nicht dominieren, wobei mir bewusst ist, dass dieser Überblick nur auf meiner privaten Sammlung beruht. Dennoch meine ich, dass die Wiedergabe im Verhältnis der Farben stimmt – rote Käppchen wurden nur bis zur Heirat getragen, all die anderen Farbkombinationen von der Heirat bis zum Lebensende, also über einen in der Regel viel längeren Zeitraum.

In diesem ersten Teil wurde bereits eine breite Palette unterschiedlicher Muster gezeigt. Ein zweiter Teil soll folgen, der noch mehr und andere Muster bereithält.

Wie entsteht eine Schwälmer Tanzecke?

Tanzecken sind sehr spezielle Bestandteile der Schwälmer Tracht. Sie sind nicht nur außergewöhnlich prachtvoll in ihrer Erscheinung, sondern auch sehr aufwändig herzustellen.

Zuerst muss man eine Schablone haben. Diese besteht aus Pappe.
Mit feinem Nähgarn wird die Schablone auf ein Stück Stoff in der Farbe der Tracht, zu der die Tanzecke getragen werden soll, genäht.
Beide Schichten werden anschließend auf Leinen oder Baumwollstoff befestigt.
Die auf diese Weise vorbereitete Arbeit wird in einen Rahmen gespannt, so dass beide Hände frei sind, um arbeiten zu können – eine von oben und die andere von unten. Die Stickerin stickt feine Seidenfäden präzise und dicht nebeneinander über die Pappschablone. Nicht alle Schwälmerinnen waren in der Lage, solch feine Arbeiten auszuführen. Meist wurden Frauen damit beauftragt, die diese Stickerei berufsmäßig erledigten – die Buntstickerinnen waren erfahren und geübt im Umgang mit den Materialien und hatten die notwendige Ausstattung.
Von der Vorderseite aus betrachtet sind die Musterteile klar voneinander abgegrenzt und dennoch dicht beisammen. Auf der Rückseite erscheint das Muster nicht so klar ausgeprägt – das zugrunde liegende Leinen scheint an manchen Stellen durch.
Dann werden Pailletten, Bouillon und Metalldraht hinzugefügt.
Dadurch entsteht auf der Rückseite ein Gewirr von feinen Fädchen, mit denen diese Teile gehalten werden.
Danach werden die Kanten eingekürzt und das Teil mit Glanzpapier abgefüttert, um die Schürze, auf die die Tanzecke aufgesteckt wird, vor Beschädigungen und Abrieb zu schützen.
Die Kanten werden mit Seidenbändern umgeben
und die Seidenbänder werden zusätzlich mit Pailletten und Bouillon verziert. Oft wurden auch die Initialen der Besitzerin hinzugefügt.
Es ist verblüffend zu sehen, welch schöne Tanzecke aus der oben zu sehenden Schablone hervorgegangen ist!

Und es ist verständlich, dass die Schwälmerinnen ihre schönen und mühevoll hergestellten Trachtenbestandteile schützen wollten, wenn sie verstaut werden mussten. (Die Tanzecken wurden ja nur zu Tanzveranstaltungen genutzt, und diese fanden gewöhnlicherweise nur 3 mal im Jahr statt.) So nähten sie sich oft passende Taschen. Diese enthielten meist zwei separate Abteile – eines für jede Tanzecke – wurden aus Glanzpapier passgenau zugeschnitten und mit Vorstichen zusammengenäht.

Schwälmer Tracht – Tanzecken (2)

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Tanzecken immer prachtvoller. Sie wurden größer und die Verzierungen wurden immer glänzender. Die Tanzecken wurden – zu den jeweiligen Trachtenfarben passend – in rot und in grün gefertigt.
Die roten Tanzecken wurden in feiner roter Seidenstickerei mit einigen grünen Partien ausgeführt. Zusätzlich waren sie mit Gold geschmückt – goldenen Pailletten und Goldbouillon.
Anfangs wurde Goldbouillon nur linienförmig verwendet, um die Ränder der Muster hervorzuheben. Später wurden mit Goldbouillon und Goldfäden auch Flächen gefüllt – zunächst nur kleinere,
dann größere Bereiche
und schließlich zum überwiegenden Teil.
Zusätzlich wurde auch die Randverzierung immer aufwändiger und prachtvoller.
Oft wurden die Initialen der Besitzerin auf die Unterkante gestickt.
Am Ende erkannte man die roten Tanzecken nur noch an der roten Einfassung.
Immer noch sichtbar aber blieben die schwalmtypischen Motive Stern, Tulpe, Herz und Nelke.
Die grünen Tanzecken wurden mit silbernen Pailletten, Silberdraht und Silberbouillon verziert.
Zusätzliche rote Elemente konnte man in den Tanzecken für jüngere Frauen finden,
während die Tanzecken für ältere Frauen lilafarbene Bereiche aufwiesen.
Die allerprächtigsten Exemplare allerdings hatten sowohl silberfarbene als auch goldfarbene Verzierungen, grün an den Kanten und kleine rote Bereiche im Inneren.
Diese Tanzecken sind weitere Bestandteile, die der Schwälmer Tracht Farbe, Glanz und Pracht verleihen.
Sind sie nicht wirklich herrlich?