Museum digital (2) – Tafeldecke von 1927 aus der Werkstätte Thielmann

Museum digital (2) – Tafeldecke von 1927 aus der Werkstätte Thielmann

In der Serie „Museum digital“ werden herausragende Stücke der Schwälmer Weißstickerei vorgestellt und durch viele Detailfotos dokumentiert. Zu jedem Foto gibt es eine präzise Beschreibung.
Das Pilotprojekt – mein Tulpen-Mustertuch – ist auf reges Interesse gestoßen.

Nun habe ich ein weiteres Stück mit erstrangiger und sehenswerter Stickerei vorbereitet: Eine wunderschöne und opulent bestickte Tafeldecke – datiert 1927 – aus der Werkstätte Thielmann.

Auf meiner Website wird vieles gratis zur Verfügung gestellt. Die Kosten für die Betreuung, Aktualisierung und Unterhaltung werden von mir getragen!.
Daher bitte ich um Verständnis, wenn ein derart zeitaufwändiges Projekt wie „Museum digital“ einen Kaufpreis hat – allerdings einen geringen.
Dafür erhalten Sie als Gegenleistung die „Tafeldecke von 1927 aus der Werkstätte Thielmann“ mit 140 hochauflösenden Fotos, die Sie in aller Ruhe betrachten und dabei jede Einzelheit erkennen können. Dazu gibt es eine 12seitige semantische Beschreibung oder – auf Wunsch – eine 36-seitige Beschreibung mit eingefügten Bildern.

Mit der Bestellung verpflichten Sie sich, die Fotos und Informationen nicht weiterzugeben oder in irgendeiner Weise zu veröffentlichen.

Museum digital (2)
Tafeldecke
von 1927
aus der Werkstätte Thielmann
140 Fotos
12 Seiten Text DIN A 4
oder
36 Seiten Text mit Bildern
Text: deutsch
60,4 MB Dateigröße
5,00 €
zum Shop

Museum digital (1) – Mein Tulpen-Mustertuch

Eine besondere Stoffverbindung

Kürzlich hielt ich ein besonderes Stück in Händen. Bei dem mit 1843 datierten Teil handelt es sich wohl um ein Hochzeitsbettlaken, worauf die Buchstabenkombinationen links – C C H L – und rechts – A C H L – der Krone hindeuten. C und A stehen als Anfangsbuchstaben der Vornamen und C H L ist ein Kürzel des Nachnamens.

Zwar habe ich das Tuch aus der Schwalm, Schriftart und Krone sind aber nicht schwalmtypisch. Ein paar besondere Stickereien veranlassen mich, die Einzelheiten hier dennoch vorzustellen.

Für den für Betrachter sichtbaren Teil des Tuches, der über die vordere Bettkante hing und mit Krone, Namenskürzeln und Jahreszahl versehen ist, wurde feinstes 21-fädiges Leinen verwendet.
Die Unterkante ist mit einem zwei Zentimeter breiten Stopfhohlsaum mit einem Blockmuster verziert.

An den Seitenteilen findet man einen eineinhalb Zentimeter breiten Würfelhohlsaum.

Da die Bahnen handgewebten Leinens meist weniger als einen Meter breit waren, mussten mehrere Bahnen aneinander gesetzt werden.
Für den für Betrachter nicht sichtbaren Teil wurde wesentlich gröberes, nämlich 15/16-fädiges Leinen gewählt.

Eine Besonderheit, die ich bis dahin noch nicht gesehen hatte, sind die Verbindungsstiche in der Art eines Stopfhohlsaumes.

Der Abstand beider Stoffbahnen beträgt ca. 8 mm. Von einer Stoffbahn zur gegenüberliegenden wurden dicht nebeneinander 3 Fäden gespannt und dann bis zur Hälfte mit Stopfstichen versehen. Dann wurde der Faden – und dies ist das besondere – zum nächstgelegenen fertigen Stopfsteg und dort in der Mitte um den ersten Spannfaden geführt. Auf dem Rückweg zum begonnenen Stopfsteg wurde der Arbeitsfaden umwickelt. Dann wurde der Steg fertig gestopft. Er hat eine Breite von ca. 3 mm. Im Abstand von ca. 4 mm wurde der nächste Stopfsteg begonnen.

Ungewöhnlich sind auch die waagerechten Verbindungen zwischen den mehrstufigen Stopfstegen des Hohlsaums mit Blockmuster an der Unterkante.

Siehe auch:
Möglichkeiten des Zusammensetzens schmaler Leinenbahnen (1)
Möglichkeiten des Zusammensetzens schmaler Leinenbahnen (2)
Wie stickt man den verflochtenen Kreuznahtstich?

Schwälmer Tulpenmotive im Wandel der Zeit (1)

Die Tulpe ist eines der Hauptelemente in Schwälmer Weißstickerei-Entwürfen. Tulpenformen sind beliebig oft zu modifizieren. Sie waren auch in der Schwalm über die Jahrhunderte einem Wandel unterzogen.
Diesen in groben Zügen nachzuvollziehen, ist der Inhalt dieses Blogbeitrages.

Waren die Tulpengestalten in der frühen Schwälmer Weißstickerei mehr-

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte – 18. Jh.

und oft auch kleinteilig,

Ausschnitt aus einer Türhandtuchborte – 18. Jh.

so erforderten die nun in Mode kommenden Flächenfüllmuster mehr Raum.

Ausschnitt aus einem Bettüberwurf, datiert 1793- Museum der Schwalm

Mit dem Aufkommen der Schwälmer Weißstickerei gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden Tulpen meist einteilig in mittleren Größen dargestellt. Zum Zwischenraumfüllen gab es auch kleinere Exemplare. Die Böden der Tulpen waren meist nur leicht gerundet, oft auch gerade. Die Oberkanten waren leicht gebogt, selten zeigten sie tiefere Einschnitte. Die Formen waren mannigfach – von lang und schmal über sich nach oben hin weit öffnende bis kurz und breit.

Ausschnitt aus einem Bettüberwurf, datiert 1793- Museum der Schwalm

Vereinzelt gab es auch schon geteilte Tulpengestalten.

Ausschnitt aus einem Bettüberwurf, datiert 1793- Museum der Schwalm

Anfangs hatten sie die Tropfenform im Blütenkelch,

Ausschnitt aus einem Bettüberwurf, datiert 1823

schon bald kamen Herz- und

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte, datiert 1821

Tulpenkonturen als Blütenkelchgestaltung dazu.

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte, datiert 1821

Waren die Tulpen anfangs meist von mittlerer Größe, kamen in den nächsten Jahrzehnten sehr große Motive hinzu.

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte, datiert 1804

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte, datiert 1842

Oft waren sie in den Proportionen nicht an die übrigen Motive angepasst.

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte – 19. Jh.

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte – 19. Jh.

All diese Darstellungsweisen blieben durch das 19. Jahrhundert konstant erhalten.
Erst in den 1920er Jahren änderten sie sich stark. Beispiele kann man im nächsten Blogbeitrag sehen.

Ein besonderer Randabschluss

Nachdem Gerlind die Motive der Osterdecke „Hasen zwischen Gänseblümchen“ fertig gestickt hatte, suchte sie nach einem passenden Randabschluss. Dabei wollte sie gern die 2kurz-2lang-Stiche der Gänseblümchenblüten aufgreifen.

Dazu stickte sie einige Musterproben. Eine einzelne Reihe solcher Stiche wirkte um die relativ große Decke herum zu verloren.

Zwei Reihen gegeneinander gesetzter und ineinandergreifender Stiche war zu massiv (Fadenauszug horizontal 4 : 1 : 4 : 1 :4).

Dann kam sie auf die Idee, dieser Borte eine weitere Reihe mit kleinen Spitzen anzufügen. Dazu setzte sie zwischen je zwei kurze Stiche über 4 Gewebefäden und 2 lange Stiche über 8 Gewebefäden je einen Stich über 6 Gewebefäden in der Höhe.

Das Ergebnis war verblüffend. Die kleinen „Grasbüschel“ passen hervorragend zu der Osterhasenwiese.

Mit um den Eckpunkt herumgeführten Stichen über 4 Gewebefäden in der Höhe entwickelte sich auch die Ecklösung einfach.

Die acht unterschiedlichen, aber ähnlichen lichten Muster (Mustertücher `Lichte Muster´) zur Flächenfüllung der Hasenkonturen gestalten die Stickerei abwechslungsreich und lassen die Motive leicht und luftig erscheinen.

Das Resultat: Eine rundum gelungene und großartig wirkende Stickerei, die jeden Ostertisch fröhlich-festlich schmückt.

Vogelborte waagerecht (3)

Nachdem in einem ersten Beitrag über die Vogelborte waagerecht Bilder der fertigen Stickerei zu sehen waren und im folgenden Beitrag Details einiger Motive gezeigt wurden, beschäftigt sich dieser Beitrag mit Einzelheiten der verbliebenen Elemente.

Die schräg nach links liegende Tulpe erhält im Mittelteil ein Limetgitter (Fadenauszug 3:1) und Marburger Grundstiche als Füllmuster (Vierfachstickgarn Nr. 20).

Die schräg nach rechts liegende Tulpe erhält im Mittelteil ein lichtes Fadengitter (Fadenauszug 2:2) und „Französischen Stich – halb“ als Füllmuster (Vierfachstickgarn Nr. 20) – Mustertücher `Lichte Muster´, Seiten 32, 33)

Die Seiten beider Tulpen sind gleich gestaltet. Als einfaches Durchbruchmuster (Fadenauszug 3:1 einmal vertikal und einmal horizontal) werden Wickelstichstangen (Vierfachstickgarn Nr. 20) gearbeitet.

Der Bauch des nach rechts blickenden Vogels erhält einen besonderen Limetfadenauszug – nämlich 3:1 vertikal und 2:1 horizontal.

Dadurch werden die Stiche des Wickelstichmusters „Kleines Perlmuster“ nicht zu breit (Wickelstiche, Seite 43)

Auch der Flügel erhält einen solchen Fadenauszug, aber diesmal 2:1 vertikal und 3:1 horizontal).

und eine Abwandlung von Flächenfüllmuster 578 (ohne dazwischen gesetzte Kästchenstichreihen) (Vierfachstickgarn Nr. 20)

Der Bauch des nach links blickenden Vogels erhält einen Limetfadenauszug 3:1

und das Wickelstichmuster „Raute über eine Stufe“ (Wickelstiche, Seite 22) (Vierfachstickgarn Nr. 20)

Auch der Flügel erhält einen solchen Fadenauszug 3:1

und das Wickelstichmuster „Kleines Wabenmuster“ (Wickelstiche, Seite 87) (Vierfachstickgarn Nr. 20)

Die beiden diagonal laufenden Tulpen

erhalten einen lichten Fadenauszug 2:2. Das Fadengitter wird mit Grundstichen gesichert (Vierfachstickgarn Nr. 30).

Die Tulpen der einen Seite erhalten das Stopfstichmuster „135“ (Lichte Muster `Stopfstiche´, Seite 71) (Vierfachstickgarn Nr. 20)

Die Tulpen der anderen Seite erhalten das Stopfstichmuster „37 – Viererfensterchen“ (Lichte Muster `Stopfstiche´, Seite 22) (Vierfachstickgarn Nr. 20)

Der Bauch des nächsten nach links blickenden Vogels erhält einen lichten Fadenauszug 2:2.

Das Fadengitter wird mit Grundstichen gesichert (Vierfachstickgarn Nr. 30).

Ein Muster aus Stopfstichen mit Spinnen (Mustertücher `Lichte Muster´, Seiten 72, 73) wird eingestickt.

Auch der Flügel dieses Vogel erhält ein lichtes Grundstichgitter (2:2), in das das Stopfstichmuster „1“ (Lichte Muster `Stopfstiche´, Seite 4) (Vierfachstickgarn Nr. 20) gearbeitet wird.

Die Beine des Vogels bleiben frei. Die Schnittkanten der ausgezogenen Fäden werden mit Kettenstichen überdeckt.

Der Bauch des nach rechts blickenden Vogels erhält einen Fadenauszug 2:1 und das Muster „Hahnentritt (Limetrosen I, Seite 40) (Vierfachstickgarn Nr. 25)

Auch hier werden die Schnittkanten mit Kettenstichen überdeckt.

Der Flügel dieses Vogels erhält einen horizontalen Fadenauszug 2:3.

Mit Vierfachstickgarn Nr. 20 wird das Muster 562 gearbeitet.

Die kleinen, restlich verbliebenen Tulpen

erhalten in der durchgehenden Fläche ein Muster aus Mückenstichen. Die schmalen Flächen der geteilten Tulpen werden werden mit Plattstichen, Schlingstichen und Knötchenstichen gefüllt.

Das Muster der „Vogelborte waagerecht“ bietet neben der Nutzung als durchgehendes langes Band viele Möglichkeiten. Man kann Einzelmotive entnehmen oder kleinere sowie größere Gruppen zusammenstellen.