Schwälmer Tischdecke – rund (1)

Heute darf ich ein exzellentes Meisterwerk der Schwälmer Stickkunst präsentieren – modern und dennoch zeitlos.

Schon vor vielen Jahren, als ich den Entwurf „Schwälmer Kreis“ von Maria Deistler aus Hopsten-Schale zum ersten Mal sah, war ich sofort von der Schönheit und Einzigartigkeit des Musters begeistert.

Erst auf den zweiten Blick fiel auf, dass das Design nicht ganz einfach zu sticken sein würde. Natürlich könnte man im Stil so mancher „alten“ Schwälmerin einfach beliebige Muster in die großen Flächen hineinarbeiten. Aber das würde dem Entwurf viel von seiner Eleganz nehmen.

Inzwischen habe ich einige nach dieser Zeichnung gestickte Exemplare bewundern können. Die absolute Krönung aber erzielte brubi aus Schleswig-Holstein – eine Stickerin, die anonym bleiben möchte – mit ihrer Stickerei.

Sie hat sich die Mühe gemacht, die Neigung der Flächen zu ermitteln und geeignete Füllmuster zu suchen. Es war sehr aufwändig, Fadenauszüge und Musterverläufe auf Probestücken zu testen. Doch der Aufwand hat sich gelohnt.

Auch, dass sie das Leinen zuerst gewaschen hat, um am Ende eine wirklich runde Tischdecke zu haben, hat sich gelohnt – selbst wenn das Ausziehen der Fäden dadurch bestimmt sehr viel mühsamer war.

Für jede Fläche wurden perfekt passende Füllmuster gefunden. Das Zusammenspiel der Muster wirkt hervorragend. Die Kombination von dichten und lichten Mustern zur Erzielung der Kontraste ist beeindruckend.

Die markanten Konturlinien durch den Einsatz von 12er Stickgarn und die Wahl von Makrameestichen in einigen Bereichen sorgen für ein ausgeglichenes Gesamtbild. Auch die Wahl der anderen Garnstärken finde ich richtig.

Schnürlöcher und Spiralen sind perfekt präzise gestickt. Die Ausarbeitung der Blätter – mal vollständig gefüllt, mal nur teilweise oder auch gar nicht, wie bei den kleinen Herzchen – ist harmonisch.

Ich benutze dieses Wort in Zusammenhang mit Stickereien nicht gerne, aber hier muss ich es verwenden: brubis Decke ist ein „Traum“!

Im September 2009 begonnen, hat sie die Schwälmer Tischdecke am 16.11.2014 fertiggestellt.

Sehen und lesen Sie selbst:

„Einige Füllmuster habe ich wieder entfernt und dafür andere Muster eingestickt. Immerhin ist es meine allererste Arbeit in Schwälmer Stickkunst, da musste ich mich erst etwas herantasten, um festzustellen, ob mir ein Füllmuster gefällt oder nicht.

Einige Ausführungen meiner Stickerei entsprechen nicht der originalen Schwälmer Sticktechnik. Aber ich dachte mir, die Vorlage ist doch sehr modern gehalten, da kann ich auch etwas flexibler in meinen Stichen sein.
Die Tischdecke hat einem Durchmesser von ca. 100 cm (das Original hat nur 75 cm Durchmesser).

Damit die Tischdecke auch exakt rund bleibt (sie liegt beinahe ganzflächig auf einem runden Tisch), habe ich den Stoff entgegen der Regel vor dem Aufzeichnen und Sticken bei einer Temperatur von über 60C gewaschen, anschließend leicht gestärkt und sorgfältig gebügelt.
Für die Größe der Blütenmotive erschien mir der typische Schwälmer Knötchenstich zu mickrig, deswegen habe ich die Motivkonturen alle in Makrameestich gestickt, das wirkt plastischer.

Bei den Füllmustern habe ich tagelang in Ihren Heften geblättert auch eigene Füllmuster-Kombinationen entworfen so, wie ich es passend und harmonisch fand.

Zunächst habe ich die einzelnen Füllmuster einschl. Kontur auf Papier skizziert, um festzustellen, ob das Füllmuster für diese Kontur geeignet ist. Dann habe ich Probestücke am Rand des Stoffes gestickt, um zu sehen, mit welcher Garnstärke dieses Muster am besten wirkt.

Das Ausziehen der Fäden war natürlich durch das Verdichten des Stoffes nach dem Waschen nicht mehr so leicht, aber mein Mann baute mir nach meiner Anweisung eine kleine Hilfe – eine zum Sticken unbrauchbar gewordene Nadel Nr. 26 mit stumpfer Spitze hat er mit einem Griff versehen (ähnlich wie eine Ahle). Damit konnte ich jeden einzelnen Faden gut anheben und Stück für Stück aus dem Stoff entfernen, ohne einen Krampf in der Hand zu bekommen.

Insgesamt gesehen war das Ganze allerdings eine Mammutarbeit, die ich mir da vorgenommen hatte. Mein Ehrgeiz hat es mir nicht immer leichtgemacht, und ich bin so manches Mal mit verkrampften, schmerzenden Gliedern und halbblinden Augen spät in der Nacht erst ins Bett gefallen, weil ich ein Füllmuster unbedingt noch fertig sticken wollte.

Aber alle Strapazen waren vergessen, als die Decke fertig war.
Als ich mit meiner Schwälmer Tischdecke begann, war ich immerhin schon 63 Jahre alt, da hatte die Feinmotorik und die Sehkraft trotz angepasster Brille und Lupe beim Sticken schon etwas gelitten. Bei Fertigstellung der Decke war ich dann 68 Jahre alt.“

Freuen Sie sich auf den nächsten Blogbeitrag mit vielen weiteren interessanten Details zu diesem bezaubernden Projekt:
Schwälmer Tischdecke – rund (2)
Schwälmer Tischdecke – rund (3)

Flächenfüllmuster Nr. 570

Kategorie: Limet-Muster
verwendetes Leinen: 13,5-fädig
verwendetes Garn: Vierfachstickgarn Nr. 20
angewandte Stiche: Wickel- und Waffelstiche
Mitte: mittlere Längsachse = Fadenrinne
Breite eines Mustersegmentes = 18 Gewebefäden

Ein außergewöhnliches Streifenmuster erfordert einen ungleichmäßigen Fadenauszug.

Hier gezeigt wird zuerst nur eine Arbeitsprobe. Eingebettet in eine Motivfläche findet man das Muster am Ende dieses Beitrages.

Man zieht den Faden der mittleren Längsachse. Davon ausgehend lässt man nach beiden Seiten jeweils 4 Fäden stehen, zieht einen aus und von da aus immer abwechselnd 2 x jeden vierten und 2 x jeden fünften Faden.

Vertikal zieht man jeden vierten Faden aus.

Links der Mitte beginnend stickt man Wickelstiche über 2, 3, 4, 5, 4, 3 Fäden (siehe Bild) und wiederholt diese Stichfolge fortlaufend. Es ist ratsam, während des Stickens die Nummernfolge aufzusagen, damit man nicht durcheinander kommt.

Am Ende der Reihe angekommen, wendet man die Arbeit und stickt die gleiche Stichfolge um ein Kästchen nach oben versetzt. Zwischen den Stichen von erster und zweiter Reihe bleibt ein Gewebefaden stehen.

Man lässt 2 x 3 Gewebefadengruppen frei und arbeitet über die 2 x 4 Gewebefadengruppen in gleicher Weise Wickelstiche.

Man kann – wie hier im Bild zu sehen – alle linken Seiten der Doppelreihen mit der gleichen Stichfolge beginnen, man könnte aber auch um ein Kästchen versetzt beginnen – dann verlaufen linke und rechte Seite von gegenüberliegenden Doppelreihen spiegelbildlich. Dadurch erreicht man ein geringfügig geändertes Aussehen des Musters.

Sind alle Doppelreihen über die 4er-Fadengruppen fertiggestellt, arbeitet man Waffelstiche in die Zwischenräume – siehe Bild.

Auf diese Weise erreicht man ein markantes Streifenmuster, das erst nach dem Schrumpfen in der Wäsche seine volle Wirkung entfaltet.

Möchte man die Doppelreihen noch etwas breiter und damit auch noch markanter gestalten, muss man dafür 5 Gewebefäden stehen lassen und eine Stichfolge von 3, 4, 5, 6, 5, und 4 – siehe Bild – einhalten.

Man kann die Anzahl der Waffelstichreihen ändern, auch damit erzielt man abweichende Muster.

Auch spielen die Größe der Fläche, in die das Muster gestickt wird,

und die Feinheit des Gewebes eine Rolle.

Stopfhohlsaum-Kissen G

Dieser Kissenbezug von Christa Waldmann ist über und über mit Stickereien verziert.

Zwei breite Stopfhohlsäume rahmen eine ebenfalls breite lichte Musterborte ein.

Die 9-stufigen Stopfhohlsäume mit gespiegeltem Muster haben ein Segment von 20 Bündeln.

Sie sind am oberen und unteren Rand durch je eine Reihe Erbslochhohlsaum begrenzt.
Die lichte Borte zeigt in der Schwalm beliebte figürliche Stopfstichmuster – Stern und Bäumchen.

Das Kissen wurde mit einem roten Inlett versehen. Durch den Farbkontrast kommen die Muster besonders gut zur Geltung – sie „prahlen“, wie die Schwälmerin sagt.
Passend zu dem Inlett wurde die Farbe für die Kreuzstiche von Initialen und Jahreszahl gewählt.Tulpenornamente trennen die Zeichen, Vogelmotive schließen die Kreuzstichstickerei beidseitig ab.

Darüber wurde eine prächtige Schwälmer Krone in weiß gestickt.

Stopfhohlsaum-Kissen F
Stopfhohlsaum-Kissen E
Stopfhohlsaum-Kissen D
Stopfhohlsaum-Kissen C
Stopfhohlsaum-Kissen B
Stopfhohlsaum-Kissen A

Informationen zu den einzelnen Stopfhohlsaum-Kategorien und detaillierte Beschreibungen der Arbeitsweisen findet man in Lektion #4 – Mustertuch mit Stopfhohlsäumen

In meiner Dokumentation Schwälmer Stopfhohlsäume habe ich bereits 193 (!) voneinander abweichende Muster dargestellt.

Schaufenster im Blickpunkt

Im schönen Fachwerkstädtchen Wanfried ist eine sehr aktive Stickgruppe beheimatet. Schon seit Jahren treffen sich die Damen regelmäßig und frönen ihrem Hobby – der Hessenstickerei, wie die Schwälmer Weißstickerei auch genannt wird. Einige ältere Stickerinnen sind zwischenzeitlich ausgeschieden, aber jüngere sind nachgefolgt. Auch die Pausen während der Corona-Pandemie und der Wegfall ihrer Kursleiterin hat die Runde nicht zum Aufgeben gebracht. Im Gegenteil: Als sehr erfahrene Stickerin hat Heidemarie Burhenne kurzerhand die Kursleitung übernommen. Die elf Gruppenmitglieder treffen sich regelmäßig einmal im Monat, tauschen sich über die zu Hause erzielten Fortschritte ihrer Arbeiten aus, helfen sich gegenseitig bei Problemen, sticken gemeinsam und motivieren sich gegenseitig. Gern geben sie ihr Wissen auch an interessierte Außenstehende weiter.

Die Gruppe um die gebürtige Schwälmerin Heike Wagner weiß die herausragende Bedeutung der Schwälmer Weißstickerei zu schätzen. Die Damen fungieren als Mitträger, sollte die Schwälmer Weißstickerei in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden.

Doch auch unabhängig von dem Eintrag sind sie vielfältig engagiert, um die Stickerei wieder ins Bewusstsein zu rücken und auch jüngeren Leuten bekannt zu machen.

Kürzlich haben Sie ein Schaufenster mit einigen ihrer aufwändigen Stickereien liebevoll dekoriert. Wie in allen Städten gibt es auch in Wanfried Leerstände. Einige Hausbesitzer stellen ihre Schaufenster kostenlos zum Ausschmücken zur Verfügung, damit das Stadtbild nicht zu trostlos wirkt. Eine solche Gelegenheit hat die Stickgruppe genutzt. Sie zeigen auf Kissen, Decken, Deckchen, kleinen Beuteln, Wandbehängen und einem Taufkleid die Vielfalt möglicher Muster.

Mit der öffentlichen Ausstellung sprechen sie Einheimische und Touristen an – Interessenten werden zur näheren Information zu den Sticktreffen eingeladen.

Das Schaufenster ist in der Marktstraße 19 in 37281 Wanfried zu finden, die Treffen werden jeden zweiten Mittwoch zwischen 14 und 16 Uhr im evangelischen Gemeindehaus in Wanfried abgehalten.
Bei Interesse stelle ich gerne einen Kontakt her.

Irmgard Mengels Stopfhohlsaum-Deckchen

Irmgard Mengel hat ein kleines Deckchen mit exakten Stichen eines aufwändigen Hohlsaums geschmückt.

Der durch je eine Reihe von Kästchenstichen zweifach geteilte Stopfhohlsaum besteht aus 3-stufigen Bändern mit zwei- bzw. vierteiligen Blockmustern.

Er hat ein Segment von 36 Bündeln.

Durch die Unterteilung mit Kästchenstichen bleiben an den Ecken Gewebefäden stehen, die man zur Gestaltung der Ecke nutzen kann.

In diesem Beispiel wurden Stopfstiche über die Fäden gestickt und anschließen Spannfäden in einige der freien Quadrate eingezogen. Die Eckteile wurden mit Stopfmustern verziert, die Spinne in der Mitte wurde umwickelt.

Bei einem Stopfhohlsaum mit einem solch großen Segment muss man sich langsam von einer Ecke auf die nächste Ecke hin arbeiten, die Bündel zählen und dann erst den Fadenauszug für die angrenzende Seite vornehmen. So erhält man übereinstimmende Muster auf beiden Seiten der Ecke.