Schwälmer Tulpenmotive im Wandel der Zeit (3)

Bisher wurde die Entwicklung der Tulpenmotive vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die 1920 Jahre sowie von den 1920er bis in die 1980er Jahre gezeigt.

Der in den 1980er Jahren einsetzende Boom animierte viele weitere Designerinnen – nicht alle können hier genannt werden -, immer wieder Abwandlungen hervor zu bringen. Es ist nicht immer leicht, die Entwürfe den jeweiligen Urheberinnen zuzuordnen, da oft Ideen anderer aufgegriffen, leicht abgeändert und anders kombiniert wurden.

Maria Jung, die hauptsächlich für Entwürfe mit sehr vielen Spiralen steht, zeigt Tulpen meist mit mehr als drei Spitzen – mit geteilten und ungeteilten Flächen.

Leni Klingelhöfer gestaltete die Blüten künstlerischer.

Maria Deistler, (siehe: „Schwälmer Tischdecke – rundIrmgard Mengel (siehe: „Spezielles Angebot: Aufgedruckte Konturenmuster (2)“

und Christa Waldmann (siehe: „Schwälmer Weißstickerei und Blau (2)“

brachten durch die Vielfalt ihrer Entwürfe alle möglichen Tulpenformen ins Spiel, daher ist es nicht möglich, ihnen einen speziellen Entwurf zuzuordnen.

Nicht unerwähnt bleiben darf Anna Elisabeth Grein (1936 – 2024) (siehe auch: „Eine bildhübsche Schwälmer Mitteldecke“ und „Ein Lampenschirm mit Nadelspitzen-Rand“. In der Thielmann-Schule ausgebildet besann sich auf die ursprünglichen Muster zurück. Sie bevorzugte einteilige große Formen mit geringen Ausbuchtungen – perfekt geeignet für das Sticken wirkungsvoller Flächenfüllmuster.

Ihre geteilten Tulpen-Exemplare zeigen eher Rundungen als Spitzen, was die präzise Musterausführung am Rand begünstigt.

Schwälmer Tulpenmotive im Wandel der Zeit (2)

Die im Beitrag Schwälmer Tulpenmotive im Wandel der Zeit (1) gezeigten Darstellungsweisen blieben durch das 19. Jahrhundert konstant erhalten.

Erst in den 1920er Jahren änderten sie sich stark. Alexandra Thielmann (1881 – 1966) passte die Formen dem damaligen Zeitgeschmack an und verkleinerte die auszustickenden Flächen.

Siehe auch: „Musterdecken mit Schwälmer Weißstickerei“.

Sie entwickelte mannigfache Tulpenformen und gestaltete sie angepasst an den Platz im Gesamtmuster. Sie entwarf bauchige Ausprägungen

und zeichnete Tulpen, die tiefe Einschnitte

oder extrem herausragende Blütenkelche aufwiesen.

Auch brachte sie besonders künstlerische Entwürfe ins Spiel.

Thekla Gombert (1899 – 1981) führte die Entwürfe wieder moderat zurück, setzte aber auf kleinere Formen

und sich nach oben hin weit öffnende Tulpen mit oft stark gerundeten Böden und weitestgehend mit drei Spitzen.

Der in den 1980er Jahren einsetzende Boom animierte viele weitere Designerinnen, immer wieder Abwandlungen hervor zu bringen. Diese kann man im nächsten Blogbeitrag betrachten.

Schwälmer Weißstickerei bei ETAK

Zuschauen und Mitmachen – unter diesem Motto finden in 24 europäischen Ländern immer Anfang April Tage des Kunsthandwerks ETAK statt. Dann öffnen Ateliers von Kreativen und Kunsthandwerkern, um Besuchern einen Einblick in ihre Tätigkeiten zu geben, zum Ausprobieren anzuregen und Begeisterung zu wecken.

Bei den diesjährigen Tagen des Kunsthandwerks vom 04. – 06. April nimmt auch Margarete Grandjot teil. Ihr Stick Atelier öffnet zu diesem Event seine Pforten. Schwälmer Weißstickerei wird der Schwerpunkt sein. Für Interessierte bietet sich eine gute Möglichkeit, erste Einblicke in die einmalige Technik zu bekommen, Fortgeschrittene können vom Wissen und Können der profitieren.

Öffnungszeiten:
Freitag 14 – 18 Uhr
Samstag 10 – 18 Uhr
Sonntag 11 – 17 Uhr

Schwälmer Tulpenmotive im Wandel der Zeit (1)

Die Tulpe ist eines der Hauptelemente in Schwälmer Weißstickerei-Entwürfen. Tulpenformen sind beliebig oft zu modifizieren. Sie waren auch in der Schwalm über die Jahrhunderte einem Wandel unterzogen.
Diesen in groben Zügen nachzuvollziehen, ist der Inhalt dieses Blogbeitrages.

Waren die Tulpengestalten in der frühen Schwälmer Weißstickerei mehr-

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte – 18. Jh.

und oft auch kleinteilig,

Ausschnitt aus einer Türhandtuchborte – 18. Jh.

so erforderten die nun in Mode kommenden Flächenfüllmuster mehr Raum.

Ausschnitt aus einem Bettüberwurf, datiert 1793- Museum der Schwalm

Mit dem Aufkommen der Schwälmer Weißstickerei gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden Tulpen meist einteilig in mittleren Größen dargestellt. Zum Zwischenraumfüllen gab es auch kleinere Exemplare. Die Böden der Tulpen waren meist nur leicht gerundet, oft auch gerade. Die Oberkanten waren leicht gebogt, selten zeigten sie tiefere Einschnitte. Die Formen waren mannigfach – von lang und schmal über sich nach oben hin weit öffnende bis kurz und breit.

Ausschnitt aus einem Bettüberwurf, datiert 1793- Museum der Schwalm

Vereinzelt gab es auch schon geteilte Tulpengestalten.

Ausschnitt aus einem Bettüberwurf, datiert 1793- Museum der Schwalm

Anfangs hatten sie die Tropfenform im Blütenkelch,

Ausschnitt aus einem Bettüberwurf, datiert 1823

schon bald kamen Herz- und

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte, datiert 1821

Tulpenkonturen als Blütenkelchgestaltung dazu.

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte, datiert 1821

Waren die Tulpen anfangs meist von mittlerer Größe, kamen in den nächsten Jahrzehnten sehr große Motive hinzu.

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte, datiert 1804

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte, datiert 1842

Oft waren sie in den Proportionen nicht an die übrigen Motive angepasst.

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte – 19. Jh.

Ausschnitt aus einer Paradekissenborte – 19. Jh.

All diese Darstellungsweisen blieben durch das 19. Jahrhundert konstant erhalten.
Erst in den 1920er Jahren änderten sie sich stark. Beispiele kann man im nächsten Blogbeitrag sehen.

Flächenfüllmuster Nr. 581

Flächenfüllmuster Nr. 581

Kategorie: Lichtes Muster mit Grundstichgitter
verwendetes Leinen: 13.5-fädig
verwendetes Garn: Vierfachstickgarn Nr. 30 für die Grundstiche und Nr. 20 für die Rosenstiche
angewandte Stiche: Grund- und Rosenstiche
Mitte: Kreuzung zweier Fadenrinnen (in anderen Konturformen: mittlere Längsachse = Fadenrinne)
Breite eines Mustersegmentes = 34 Gewebefäden

Das hier zuerst gezeigte Muster ist nur eine Arbeitsprobe. Eingebettet in eine Motivfläche findet man es am Ende dieses Beitrages.

Zuerst erstellt man ein lichtes Fadengitter mit einer Kreuzung zweier Fadenrinnen im Zentrum, indem man sowohl horizontal als auch vertikal jeweils abwechselnd 2 Fäden auszieht und zwei Fäden stehen lässt.

Das entstandene Fadengitter wird mit Grundstichen stabilisiert.

Man sticht im zweiten Kästchen unterhalb des Zentrums aus. Das Ende des Arbeitsfadens bleibt vorerst auf der Vorderseite.

Man arbeitet einen Rosenstich in dieses Kästchen. Es ist dabei gut, den ersten Teil des Rosenstiches in die Richtung zu setzen, in der man später weiter sticken will – also den ersten Teilstich nach oben, wenn weitere Rosenstiche oberhalb gearbeitet werden sollen; den ersten Teilstich nach links, wenn weitere Rosenstiche nach links gearbeitet werden sollen usw. Dadurch wird die Fläche des Kästchens gut abgedeckt.

Nach Beendigung des ersten Rosenstiches führt man die Nadel ein Kästchen diagonal nach rechts oben

und arbeitet von dort aus drei Rosenstiche nach links.

In das Kästchen über dem dritten Rosenstich und das links daneben liegenden stickt man zwei weitere Rosenstiche, sticht dann ein Kästchen diagonal nach rechts oben aus

und arbeitet von dort drei Rosenstiche nach rechts. Nach Fertigstellung des dritten Rosenstiche sticht man ein Kästchen diagonal nach links oben aus.

In dieses Kästchen arbeitet man einen Rosenstich und führt die Nadel dann schräg ein Kästchen nach rechts und zwei nach unten.

Von dort aus arbeitet man zwei Rosenstiche nach rechts und führt die Nadel dann ein Kästchen nach oben und zwei nach rechts.

Damit die umliegenden Kästchen auf alle Fälle frei und offen bleiben, führt man den Arbeitsfaden auf der Rückseite durch einen Grundstich.

Das erste Element des Musters ist fertig. Vom neuen Ausgangspunkt aus stickt man Rosenstiche diagonal nach links oben

insgesamt vier.

Eine zweite,

eine dritte und

eine vierte Reihe aus jeweils vier Rosenstichen schließen sich an. Damit ist auch das zweite Element des Musters fertig.

Man führt die Nadel schräg ein Kästchen nach rechts und zwei nach unten und beginnt von dort das erste Element zu sticken.

In der Diagonale wechseln sich Element 1 und Element 2 ständig ab. Wenn der erste Faden zu kurz und vernäht wird, kann auch der Anfangsfaden zur Rückseite gezogen und dort vernäht werden.

Es entsteht ein sehr schönes Muster,

das in großen Flächen besonders wirkungsvoll erscheint, wie hier auf einer Tafeldecke von 1927.