Schaufenster im Blickpunkt

Im schönen Fachwerkstädtchen Wanfried ist eine sehr aktive Stickgruppe beheimatet. Schon seit Jahren treffen sich die Damen regelmäßig und frönen ihrem Hobby – der Hessenstickerei, wie die Schwälmer Weißstickerei auch genannt wird. Einige ältere Stickerinnen sind zwischenzeitlich ausgeschieden, aber jüngere sind nachgefolgt. Auch die Pausen während der Corona-Pandemie und der Wegfall ihrer Kursleiterin hat die Runde nicht zum Aufgeben gebracht. Im Gegenteil: Als sehr erfahrene Stickerin hat Heidemarie Burhenne kurzerhand die Kursleitung übernommen. Die elf Gruppenmitglieder treffen sich regelmäßig einmal im Monat, tauschen sich über die zu Hause erzielten Fortschritte ihrer Arbeiten aus, helfen sich gegenseitig bei Problemen, sticken gemeinsam und motivieren sich gegenseitig. Gern geben sie ihr Wissen auch an interessierte Außenstehende weiter.

Die Gruppe um die gebürtige Schwälmerin Heike Wagner weiß die herausragende Bedeutung der Schwälmer Weißstickerei zu schätzen. Die Damen fungieren als Mitträger, sollte die Schwälmer Weißstickerei in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden.

Doch auch unabhängig von dem Eintrag sind sie vielfältig engagiert, um die Stickerei wieder ins Bewusstsein zu rücken und auch jüngeren Leuten bekannt zu machen.

Kürzlich haben Sie ein Schaufenster mit einigen ihrer aufwändigen Stickereien liebevoll dekoriert. Wie in allen Städten gibt es auch in Wanfried Leerstände. Einige Hausbesitzer stellen ihre Schaufenster kostenlos zum Ausschmücken zur Verfügung, damit das Stadtbild nicht zu trostlos wirkt. Eine solche Gelegenheit hat die Stickgruppe genutzt. Sie zeigen auf Kissen, Decken, Deckchen, kleinen Beuteln, Wandbehängen und einem Taufkleid die Vielfalt möglicher Muster.

Mit der öffentlichen Ausstellung sprechen sie Einheimische und Touristen an – Interessenten werden zur näheren Information zu den Sticktreffen eingeladen.

Das Schaufenster ist in der Marktstraße 19 in 37281 Wanfried zu finden, die Treffen werden jeden zweiten Mittwoch zwischen 14 und 16 Uhr im evangelischen Gemeindehaus in Wanfried abgehalten.
Bei Interesse stelle ich gerne einen Kontakt her.

Irmgard Mengels Stopfhohlsaum-Deckchen

Irmgard Mengel hat ein kleines Deckchen mit exakten Stichen eines aufwändigen Hohlsaums geschmückt.

Der durch je eine Reihe von Kästchenstichen zweifach geteilte Stopfhohlsaum besteht aus 3-stufigen Bändern mit zwei- bzw. vierteiligen Blockmustern.

Er hat ein Segment von 36 Bündeln.

Durch die Unterteilung mit Kästchenstichen bleiben an den Ecken Gewebefäden stehen, die man zur Gestaltung der Ecke nutzen kann.

In diesem Beispiel wurden Stopfstiche über die Fäden gestickt und anschließen Spannfäden in einige der freien Quadrate eingezogen. Die Eckteile wurden mit Stopfmustern verziert, die Spinne in der Mitte wurde umwickelt.

Bei einem Stopfhohlsaum mit einem solch großen Segment muss man sich langsam von einer Ecke auf die nächste Ecke hin arbeiten, die Bündel zählen und dann erst den Fadenauszug für die angrenzende Seite vornehmen. So erhält man übereinstimmende Muster auf beiden Seiten der Ecke.

Stopfhohlsaum-Kissen F

Dieses Kissen wurde am unteren Rand mit einem breiten Stopfhohlsaum verziert. Darüber wurde eine prächtige Krone gestickt.

Der 9-stufige Stopfhohlsaum mit zweiteiligem Blockmuster hat ein Segment von 34 Bündeln.

Durch den Wechseln von breiten dichten und lichten Blöcken, unterlegt mit farbigem Inlett, wirkt der Stopfhohlsaum sehr markant.
Erbslochhohlsaum mildert die strenge Wirkung.

Der vergrößerte Entwurf einer typischen prächtigen Schwälmer Krone diente als Muster für die begleitende Weißstickerei.

Feinste Plattstickstickerei im Wechsel mit in zarter Durchbruchstickerei gestalteten Motiven stehen in Kontrast zu dem augenfälligen Stopfhohlsaum.

Stopfhohlsaum-Kissen E
Stopfhohlsaum-Kissen D
Stopfhohlsaum-Kissen C
Stopfhohlsaum-Kissen B
Stopfhohlsaum-Kissen A

Informationen zu den einzelnen Stopfhohlsaum-Kategorien und detaillierte Beschreibungen der Arbeitsweisen findet man in Lektion #4 – Mustertuch mit Stopfhohlsäumen

In meiner Dokumentation Schwälmer Stopfhohlsäume habe ich bereits 193 (!) voneinander abweichende Muster dargestellt.

Colettes Sterne strahlen

Colette Bonnet hat beim Besuch meiner Ausstellung verschiedene Stickereien entdeckt, die ihr gefielen und die sie gern selbst arbeiten wollte. So auch das Muster „Christrose mit Stern“, zu sehen im letzten Bild dieses Beitrages.

Allerdings dachte sie daran, das Muster auf einen konisch zulaufenden Lampenschirm zu sticken. Davon wurde nach Auswahl des Drahtgestells für den Lampenschirm und Rücksprache mit der Dame, die dieses mit dem bestickten Leinen überziehen sollte, abgeraten. Statt des großen Musters wählte sie einzelne Sterne in unterschiedlichen Größen und verteilte sie über den Stoff.

Die größeren Sterne erhielten einen Mittelkreis mit verschiedenen Flächenfüllmustern aus dem Buch Sterne.

Die kleineren Sterne wurden jeweils nur als Kontur gestickt.

Besonders bei Licht entfaltet das Muster die volle Wirkung und seinen ganz speziellen Reiz.

Wichtig war auch, einen Spezialisten für die Lampenschirm-Montage zu haben. In Claudine MAZUIR – 393 Chemin de la Montagnette – 30500 SAINT AMBROIX cmazuir27@gmail.com hat Colette eine solche Fachfrau gefunden.

Die unikale Stickerei und die perfekte Montage verzaubern Colettes Lampe zu einem exquisiten Schmuckstück.

Stopfhohlsaum-Kissen E

Bei diesem Kissen wurde kein Streifenleinen verwendet, denn zwei breite Stopfhohlsäume mit Erbslochhohlsäumen und ein Schlängchenmuster lassen keinen Platz dafür.

Eine wunderschöne Hohlsaum-Kombination entstand durch die aufwändige Zusammenstellung: Ein 12-stufiger, geteilter Stopfhohlsaum erhielt auf beiden Seiten eine Einfassung aus doppeltem Erbslochhohlsaum, begrenzt von je zwei Reihen Kästchenstichen.

Der Stopfhohlsaum hat ein Segment von 20 Bündeln.

Zu diesem Stopfhohlsaum passt die Kombination von doppeltem Erbslochsaum mit je zwei Reihen Kästchenstichen auf beiden Seiten hervorragend.

Den Platz zwischen den Hohlsäumen nimmt ein Schlängchenmuster ein. Schlängchen waren in der Schwalm sehr beliebt. Die in Wellenlinien verlaufenden Stiche sollen den Fluss Schwalm symbolisieren, der sich namensgebend durch die Region schlängelt. Die Welle symbolisiert auch die unvermeidlichen Höhen und Tiefen des Lebens in seinem ständigen Wandel. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Wellensymbole in der bäuerlich geprägten Schwälmer Weißstickereien einen breiten Raum einnahmen.
Solche Schlängchen gab es in den unterschiedlichsten Ausführungen. Meist mit Plattstichmustern, manchmal aber auch mit Durchbruchflächen umgeben, bildeten sie schmale Börtchen für Schürzenbänder und Ärmelbündchen oder sie umrahmten breitere Motiv-Borten mit Durchbruchmustern.

Das hier zu sehende Muster ist sehr ruhig gehalten.
Von kleinen Kreisen aus Knötchenstichen, gefüllt mit Plattstichen, gehen gerundeten Blütenblätter aus, verbunden durch Margeritenstiche.

Kleine, spitze Blättchen, verbunden mit Stielstichen, füllen die Zwischenräume.

In diesem Beispiel wird die Wellenlinie aus Knötchenstichen und Stielstichen gebildet, wobei sich die Linien nach jeder Welle kreuzen.

Das Schlängchenmuster ist oben und unten durch durch einen schmalen Hohlsaum mit einem einfachen Wickestichmuster begrenzt.

Das farbige Inlett unterstützt die prächtige Wirkung der Stopfhohlsäume.

Stopfhohlsaum-Kissen D
Stopfhohlsaum-Kissen C
Stopfhohlsaum-Kissen B
Stopfhohlsaum-Kissen A

Informationen zu den einzelnen Stopfhohlsaum-Kategorien und detaillierte Beschreibungen der Arbeitsweisen findet man in Lektion #4 – Mustertuch mit Stopfhohlsäumen

In meiner Dokumentation Schwälmer Stopfhohlsäume habe ich bereits 193 (!) voneinander abweichende Muster dargestellt.