1. Der Korallen-Knötchenstich

Die 13 Basisstiche der Schwälmer Weißstickerei

A. Die Zierstiche

1. Der Korallen-Knötchenstich (auch linienbildender Knötchenstich und in der Schwalm einfach nur Knötchenstich genannt)

Mit diesem Stich werden die Konturen der Motive, die Stiele und die Spiralen gestickt.

Garnstärke: je nach Feinheit des Leinens Vierfachstickgarn Nr. 16 oder Nr. 20
Aufbau der Reihen: von unten nach oben
Richtung der Nadelführung: von rechts nach links
Arbeitsweise: Man legt den Arbeitsfaden ein Stück weit über die Linie, die bestickt werden soll und dann in einer Schlaufe nach links und unten.
Man sticht rechts des gelegten Fadens – in geringem Abstand zum vorherigen Knoten – ein, unterquert den Stoff unterhalb des gelegten Fadens und sticht links dicht daneben aus. Der Schlaufenfaden befindet sich unterhalb der Nadelspitze.
Man zieht die Nadel durch und den Faden senkrecht in die Luft an.
Der Abstand der Knötchen sollte in etwa eine Nadelbreite betragen.

Für Anfänger ist es einfacher, kurz oberhalb des Ausstichpunktes das Gewebe unterhalb der Linie von rechts nach links aufzufassen,

dann den Arbeitsfaden über die Nadelspitze nach oben und unter der Nadelspitze wieder nach unten zu legen,

die Nadel durch- und den Faden senkrecht in die Luft anzuziehen.

Je kürzer der Stich, der das Gewebe unterhalb der Linie auffasst, ausfällt, desto runder erscheinen die Knötchen.

Würde man den Faden nicht senkrecht in die Luft sondern in Richtung der freien Linie anziehen, wie im Bild unten bei den letzten vier Stichen zu sehen, würden die Knötchen eher wie schräg liegende Stiche wirken.

Aber keine Sorge: Die obigen Bilder zeigen stark vergrößerte Details.
In der richtigen Größe gezeigt und im Zusammenspiel mit den anderen Stichen sehen die meisten Korallen-Knötchenstiche ganz passabel aus, wie auf dem Foto einer alten Miederärmelborte zu sehen.

Betrachtet man sich die Stiche in der Vergrößerung, fällt durchaus unterschiedliche Perfektion auf.

Der Korallen-Knötchenstich ist einer der wichtigsten Stiche in der Schwälmer Weißstickerei. Die frühesten Zeugnisse dieses Stiches in der Schwalm habe ich bisher in der Krone eines Türhandtuchs gefunden, das mit 1762 datiert und im Museum der Schwalm in Ziegenhain ausgestellt ist.

Die Royal School of Needlework bezeichnet den Stich als Linienstich, der mit gleichmäßig verteilten Knoten durchsetzt ist. Er gilt als einer von altägyptischen Nähern verwendeter Stich. Er wurde in einem englischen Mustertuch von 1598 und einem englischen Kopfschmuck aus dem spätem 16. Jahrhundert gefunden. Im 17. und 18. Jahrhundert war er ein beliebter Stich des englischen Crewelworks. Ende des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts wurde er fester Bestandteil der Schwälmer Weißstickerei. Er wird auch in der sardischen Knotenstickerei aus Teulada (Sardinien) als Punt ´e Nù verwendet.

In anderen Regionen und Ländern war der Stich wohl weitgehend unbekannt. Dort verwendeten die Weißstickereien der damaligen Zeit entweder Stielstiche oder Klosterstiche – auch die der Schwälmer Weißstickerei ähnlichen Stickereien wie die auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens oder die frühe Hedebostickerei aus Dänemark.

So ist es nicht verwunderlich, dass Thérése de Dillmont in ihrem bahnbrechenden Werk Enzyklopädie der Handarbeiten (1893) diesen Stich nicht erwähnt.
In meinen alten Handarbeitsbüchern findet man aber Abwandlungen. So zeigt z.B. Emilie Stiasny in ihrem Buch von 1910 „Stickerei-Techniken für Schule und Praxis“ (K .K. Hof- und Staatsdruckerei, Wien) den „verdrehten Schlingstich“ (Abb. 340a). Dieser ist dem Korallen-Knötchenstich ähnlich, nur wird der Arbeitsfaden in Richtung der Nadelführung angezogen und nicht senkrecht in die Luft.

Die Schwälmer Weißstickerei-Entwürfe zeigen oft sehr ausgeprägte Spiralen. Diese kann man mit Korallen-Knötchenstichen besonders exakt sticken. Auch wirken die mit diesem Stich gestickten Linien kräftiger, ausgeprägter und augenfälliger als die mit anderen Stichen gestickten. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb der Korallen-Knötchenstich in der Schwalm gebräuchlich war.

Siehe auch:
Wie stickt man Spiralen?
Spiralen – Übung (1)
Spiralen – Übung (2)
Spiralen – Übung (3)
Wie arbeitet man Abzweige von Stielen und Spiralen?
Abzweige – Übung (1) Ein kleines Mustertuch
Adventskalender 2016 – Tag 5
Adventskalender 2016 – Tag 20
Abzweige – Übung (2)
Abzweige – Übung (3)
Abzweige und Spiralen – Übung

Doppelkonturen (6) – Schlingstiche

Schlingstiche waren vor Jahrhunderten eine beliebte Art der Gestaltung einer Fläche zwischen zwei Konturenlinien, wie hier auf einem Baby-Tragetuch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts

und auf Teilen eines blau eingefärbten Paradetaschentuches zu sehen.
Leider ist diese Art der Verzierung ein wenig in Vergessenheit geraten. Schlingstiche sind leicht zu arbeiten. Man kann mit Ihnen eine wirkungsvolle Umrandung erzielen. Man sollte diese Stiche als Umrandungsstiche mal wieder in den Focus rücken.

Die Stiche verlaufen manchmal rechtwinklig zur bestickten Fläche wie oben zu sehen, ein anderes mal sind sie schräg dazu angeordnet.

Manchmal verlaufen die Schlingen am inneren Rand,

manchmal sind sie nach außen gesetzt.

Oft sind sie sehr dicht gestickt, manchmal auch mit Abstand.

Es gibt auch Formationen, bei denen zwei Reihen von Schlingstichen gegeneinander verlaufen.

Siehe auch:
Historische Schwälmer Weißstickerei
Doppelkonturen (1) – Freie Flächen
Doppelkonturen (2) – Umwickelte Spannstiche
Doppelkonturen (3) – Umwickelte Hexenstiche
Doppelkonturen (4) – Bouillonknoten
Doppelkonturen (5) – Bouillonstiche

Doppelkonturen (5) – Bouillonstiche

Bouillonstiche (nicht zu verwechseln mit Bouillonknoten) sind eine selten zu findende Gestaltung einer Fläche zwischen zwei Konturenlinien.

Sie fassen ein Motiv wirkungsvoll auf ganz besondere Weise ein. Besonders zu flachen Füllmustern bilden die erhabenen Stiche einen schönen Kontrast.

Bouillonstiche (Frühe Schwälmer Weißstickerei, Seiten 63 und 64) sind zur Umrandung fast aller Motive geeignet,

denn Reihen solcher Bouillonstiche passen sich flexibel an,

können auch enge Rundungen nehmen – sind also auch für kleine Motive geeignet –

und sind auch gut um Ecken herum weiterzuführen.

Bouillonstiche wirken am Besten, wenn sie relativ dicht nebeneinander gestickt sind.

Die Größe der Stiche kann durch die verwendete Garnstärke und durch die Anzahl der Wicklungen beeinflusst werden.

Siehe auch:
Doppelkonturen (1) – Freie Flächen
Doppelkonturen (2) – Umwickelte Spannstiche
Doppelkonturen (3) – Umwickelte Hexenstiche
Doppelkonturen (4) – Bouillonknoten

Doppelkonturen (4) – Bouillonknoten

Bouillonknoten (auch „Knötchen“ oder „französische Knötchen“ genannt und nicht zu verwechseln mit Bouillonstichen) eignen sich gut für die Gestaltung einer Fläche zwischen zwei Konturenlinien.

Sie sind leicht zu arbeiten und umrahmen ein Motiv auch wirkungsvoll ohne den Zusatz weiterer Zierstiche.

Reihen solcher Bouillonknoten passen sich flexibel verschiedensten Konturformen an und sind auch perfekt um Ecken herum weiterzuführen.

Bouillonknoten kann man relativ dicht nebeneinander oder mit etwas Abstand sticken. Die einmal gewählte Distanz sollte aber so gut wie möglich eingehalten werden. Es ist sinnvoll, vor dem Sticken Markierungen zu setzen.

Die Größe der Knoten kann durch die verwendete Garnstärke und durch die Anzahl der Wicklungen beeinflusst werden.

Siehe auch:
Doppelkonturen (1) – Freie Flächen
Doppelkonturen (2) – Umwickelte Spannstiche
Doppelkonturen (3) – Umwickelte Hexenstiche

Doppelkonturen (3) – Umwickelte Hexenstiche

Eine beliebte Art der Gestaltung einer Fläche zwischen zwei Konturenlinien sind umwickelte Hexenstiche. Sie werden in der Schwalm, ebenso wie die umwickelten Spannstiche „Kerrercher“, „Schlängchen“ genannt. Die Arbeitsweise ist in meiner Publikation Schlängchen & Co auf den Seiten 44 und 45 zu finden.

Umwickelte Hexenstiche findet man auch gelegentlich in historischen Schwälmer Weißstickereien, wie hier auf einem Babytragetuch von 1866, wo sie zur Ausschmückung der Doppelkontur eines Korbes gestickt wurden.

Heute stickt man sie meist um Herzmotive.

Dabei werden diese fast immer zusätzlich mit Schnürlochbögen,

manchmal auch mit Messerspitzen umgeben.

Auch bei Doppelkonturen von Kreisen kann man diese Zierart wirkungsvoll einsetzen.

Ein Beispiel einer Tulpe habe ich bisher nicht entdecken können.

Siehe auch:
Doppelkonturen (1) – Freie Flächen
Doppelkonturen (2) – Umwickelte Spannstiche
Historische Schwälmer Weißstickerei
Übergang von früher zu späterer Schwälmer Weißstickerei (1)
Schwälmer Weißstickerei – Sonnenblumendarstellungen
Schwälmer Paradekissen-Borte (A)
Historische Schwälmer Miederärmel-Stickerei (D)