Eine besondere Stoffverbindung

Kürzlich hielt ich ein besonderes Stück in Händen. Bei dem mit 1843 datierten Teil handelt es sich wohl um ein Hochzeitsbettlaken, worauf die Buchstabenkombinationen links – C C H L – und rechts – A C H L – der Krone hindeuten. C und A stehen als Anfangsbuchstaben der Vornamen und C H L ist ein Kürzel des Nachnamens.

Zwar habe ich das Tuch aus der Schwalm, Schriftart und Krone sind aber nicht schwalmtypisch. Ein paar besondere Stickereien veranlassen mich, die Einzelheiten hier dennoch vorzustellen.

Für den für Betrachter sichtbaren Teil des Tuches, der über die vordere Bettkante hing und mit Krone, Namenskürzeln und Jahreszahl versehen ist, wurde feinstes 21-fädiges Leinen verwendet.
Die Unterkante ist mit einem zwei Zentimeter breiten Stopfhohlsaum mit einem Blockmuster verziert.

An den Seitenteilen findet man einen eineinhalb Zentimeter breiten Würfelhohlsaum.

Da die Bahnen handgewebten Leinens meist weniger als einen Meter breit waren, mussten mehrere Bahnen aneinander gesetzt werden.
Für den für Betrachter nicht sichtbaren Teil wurde wesentlich gröberes, nämlich 15/16-fädiges Leinen gewählt.

Eine Besonderheit, die ich bis dahin noch nicht gesehen hatte, sind die Verbindungsstiche in der Art eines Stopfhohlsaumes.

Der Abstand beider Stoffbahnen beträgt ca. 8 mm. Von einer Stoffbahn zur gegenüberliegenden wurden dicht nebeneinander 3 Fäden gespannt und dann bis zur Hälfte mit Stopfstichen versehen. Dann wurde der Faden – und dies ist das besondere – zum nächstgelegenen fertigen Stopfsteg und dort in der Mitte um den ersten Spannfaden geführt. Auf dem Rückweg zum begonnenen Stopfsteg wurde der Arbeitsfaden umwickelt. Dann wurde der Steg fertig gestopft. Er hat eine Breite von ca. 3 mm. Im Abstand von ca. 4 mm wurde der nächste Stopfsteg begonnen.

Ungewöhnlich sind auch die waagerechten Verbindungen zwischen den mehrstufigen Stopfstegen des Hohlsaums mit Blockmuster an der Unterkante.

Siehe auch:
Möglichkeiten des Zusammensetzens schmaler Leinenbahnen (1)
Möglichkeiten des Zusammensetzens schmaler Leinenbahnen (2)
Wie stickt man den verflochtenen Kreuznahtstich?

Flächenfüllmuster Nr. 582

Flächenfüllmuster Nr. 582

Kategorie: Lichtes Muster mit Grundstichgitter
verwendetes Leinen: 13,5-fädig
verwendetes Garn: Vierfachstickgarn Nr. 30 für die Grundstiche und Nr. 20 für die Rosenstiche
angewandte Stiche: Grund- und Rosenstiche
Mitte: Kreuzung zweier Fadenrinnen (in anderen Konturformen: mittlere Längsachse = Fadenrinne)
Breite eines Mustersegmentes = 48 Gewebefäden

Das hier zuerst gezeigte Muster ist nur eine Arbeitsprobe. Eingebettet in eine Motivfläche findet man es am Ende dieses Beitrages.

Zuerst erstellt man ein lichtes Fadengitter mit einer Kreuzung zweier Fadenrinnen im Zentrum, indem man sowohl horizontal als auch vertikal jeweils abwechselnd 2 Fäden auszieht und zwei Fäden stehen lässt.

Das entstandene Fadengitter wird mit Grundstichen stabilisiert.

Man beginnt im vierten Kästchen unterhalb des Zentrums aus. Das Ende des Arbeitsfadens bleibt vorerst auf der Vorderseite.

Man arbeitet einen Rosenstich in dieses Kästchen. Es ist dabei gut, den ersten Teil des Rosenstiches in die Richtung zu setzen, in der man später weiter sticken will – also den ersten Teilstich nach oben, wenn weitere Rosenstiche oberhalb gearbeitet werden sollen; den ersten Teilstich nach links, wenn weitere Rosenstiche nach links gearbeitet werden sollen usw. Dadurch wird die Fläche des Kästchens gut abgedeckt.

Nach Beendigung des ersten Rosenstiches führt man die Nadel ein Kästchen diagonal nach rechts oben und arbeitet von dort aus drei Rosenstiche nach links.

In das Kästchen über dem mittleren Rosenstich stickt man einen weiteren Rosenstich, sticht dann ein Kästchen diagonal nach rechts oben aus

und arbeitet von dort drei Rosenstiche nach links. Nach Fertigstellung des dritten Rosenstiches sticht man ein Kästchen oberhalb aus,

stickt von da aus vier Rosenstiche nach links und

führt die Nadel dann schräg ein Kästchen nach rechts und eins nach unten.
Dort arbeitet man einen Rosenstich und führt die Nadel dann zwei Kästchen nach oben. Dort arbeitet man wieder einen Rosenstich,

lässt nach rechts 1 Kästchen frei (damit das dazwischenliegende Kästchen auf alle Fälle frei und offen bleibt, führt man den Arbeitsfaden auf der Rückseite durch einen Grundstich)

und arbeitet von dort aus drei Rosenstiche nach rechts. Über dem mittleren der drei Stiche wird ein Kreuz aus einem, drei und einem Rosenstich gearbeitet. Der Arbeitsfaden wird auf der Rückseite zum Kästchen rechts der Mitte zurückgeführt.

Von dort werden vier Rosenstiche nach rechts gearbeitet und dann die Nadel schräg ein Kästchen nach links und eins nach unten geführt.

Dort arbeitet man einen Rosenstich und führt die Nadel dann zwei Kästchen nach oben. Dort arbeitet man wieder einen Rosenstich,

Das erste Element des Musters ist fertig.

Im Abstand von drei freibleibenden Kästchen wird ein gleiches Element gestickt.

Vom mittleren der drei freibleibende Kästech lässt man je ein weiteres Kästchen frei und stickt anschließend weitere Elemente nach links und rechts.

Auf diese Weise füllt man die gesamte Fläche.

Es entsteht ein außergewöhnliches Muster,

das in großen Flächen besonders wirkungsvoll erscheint, wie hier auf einer Tafeldecke von 1927.

Tulpenmotive

In vorhergehenden Beiträgen habe ich die Entwicklung von Tulpenmotiven durch die Jahrhunderte aufgezeichnet.
Nun will es der Zufall, dass in meinem Garten hunderte verschiedener Tulpen aufgeblüht sind.

In der Knopse spitz zulaufende,

sternförmig aufblühende,

große und kleine,

gefüllte


eher abgerundete oder

in den Blütenblättern spitz zulaufende

Die Pracht brachte mir die Idee, ein Tulpenmustertuch zu gestalten. Leider habe ich für Entwürfe kein Geschickt. Aber vielleicht haben Sie ja Spaß an einer solchen Aufgabe. Damit es leichter gehen kann, habe ich verschiedene Tulpenkonturen zusammengestellt. Aus der Auswahl kann man sich die passenden herauspicken und mit etwas Beiwerk wie kleinen Blättchen, Spiralen usw. ein Muster entwerfen.
Ich freue mich darauf, irgendwann einmal solche Entwürfe zu Gesicht zu bekommen.

Schwälmer Tulpenmotive im Wandel der Zeit (3)

Bisher wurde die Entwicklung der Tulpenmotive vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die 1920 Jahre sowie von den 1920er bis in die 1980er Jahre gezeigt.

Der in den 1980er Jahren einsetzende Boom animierte viele weitere Designerinnen – nicht alle können hier genannt werden -, immer wieder Abwandlungen hervor zu bringen. Es ist nicht immer leicht, die Entwürfe den jeweiligen Urheberinnen zuzuordnen, da oft Ideen anderer aufgegriffen, leicht abgeändert und anders kombiniert wurden.

Maria Jung, die hauptsächlich für Entwürfe mit sehr vielen Spiralen steht, zeigt Tulpen meist mit mehr als drei Spitzen – mit geteilten und ungeteilten Flächen.

Leni Klingelhöfer gestaltete die Blüten künstlerischer.

Maria Deistler, (siehe: „Schwälmer Tischdecke – rundIrmgard Mengel (siehe: „Spezielles Angebot: Aufgedruckte Konturenmuster (2)“

und Christa Waldmann (siehe: „Schwälmer Weißstickerei und Blau (2)“

brachten durch die Vielfalt ihrer Entwürfe alle möglichen Tulpenformen ins Spiel, daher ist es nicht möglich, ihnen einen speziellen Entwurf zuzuordnen.

Nicht unerwähnt bleiben darf Anna Elisabeth Grein (1936 – 2024) (siehe auch: „Eine bildhübsche Schwälmer Mitteldecke“ und „Ein Lampenschirm mit Nadelspitzen-Rand“. In der Thielmann-Schule ausgebildet besann sich auf die ursprünglichen Muster zurück. Sie bevorzugte einteilige große Formen mit geringen Ausbuchtungen – perfekt geeignet für das Sticken wirkungsvoller Flächenfüllmuster.

Ihre geteilten Tulpen-Exemplare zeigen eher Rundungen als Spitzen, was die präzise Musterausführung am Rand begünstigt.

Schwälmer Tulpenmotive im Wandel der Zeit (2)

Die im Beitrag Schwälmer Tulpenmotive im Wandel der Zeit (1) gezeigten Darstellungsweisen blieben durch das 19. Jahrhundert konstant erhalten.

Erst in den 1920er Jahren änderten sie sich stark. Alexandra Thielmann (1881 – 1966) passte die Formen dem damaligen Zeitgeschmack an und verkleinerte die auszustickenden Flächen.

Siehe auch: „Musterdecken mit Schwälmer Weißstickerei“.

Sie entwickelte mannigfache Tulpenformen und gestaltete sie angepasst an den Platz im Gesamtmuster. Sie entwarf bauchige Ausprägungen

und zeichnete Tulpen, die tiefe Einschnitte

oder extrem herausragende Blütenkelche aufwiesen.

Auch brachte sie besonders künstlerische Entwürfe ins Spiel.

Thekla Gombert (1899 – 1981) führte die Entwürfe wieder moderat zurück, setzte aber auf kleinere Formen

und sich nach oben hin weit öffnende Tulpen mit oft stark gerundeten Böden und weitestgehend mit drei Spitzen.

Der in den 1980er Jahren einsetzende Boom animierte viele weitere Designerinnen, immer wieder Abwandlungen hervor zu bringen. Diese kann man im nächsten Blogbeitrag betrachten.